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Ausgabe 52 SCHULE

Schulleiter im Gespräch

Seit fast einem Jahr haben wir einen Neuen im Verwaltungstrakt. Es wird also Zeit, um sich einmal bei den Schülern vorzustellen.

Das Interview führten Lennart und Tomko.

Kaktus: Vielen Dank für die Möglichkeit eines Interviews. Könnten Sie sich zu Beginn einmal selbst den Schülern vorstellen?

Müller: Mein Name ist Christian Müller, ich bin 46 Jahre alt. Ich wohne in Rastede und bin verheiratet, meine Frau ist ebenfalls Gymnasiallehrerin und selbst komme ich hier auch aus der Gegend: Geboren bin ich in Sande, also schon mal im Landkreis Friesland! Aufgewachsen aber bin ich in Wiesmoor im Landkreis Aurich. In Aurich habe ich mein Abitur am Gymnasium Ulricianum gemacht, übrigens das größte Gymnasium in Niedersachsen. Nach dem Abitur, 1992, habe ich für das gymnasiale Lehramt in den Fächern Deutsch und Biologie studiert, die ersten zwei Jahre in Osnabrück und nach der Zwischenprüfung, die man ablegen musste, in Oldenburg. In Oldenburg habe ich mein erstes Staatsexamen in Deutsch und Biologie gemacht.

Danach habe ich eine Zeit „herumgedoktert.“ Ich habe dafür ein ordentliches Stipendium bekommen und es war eine Arbeit zu dem Literatur-Nobelpreisträger Thomas Mann, den ich verglichen habe mit Dichtern der Romantik, also um 1800 herum, und mit Autoren der sogenannten Postmoderne, also Gegenwärtiges. Die Doktorarbeit ist nur leider bis heute nicht fertig geworden. Mein Stipendium dafür lief drei Jahre und die Doktorarbeit war leider noch nicht fertig, als es auslief. Meine damalige Freundin sagte mir, ich solle was „Bodenständiges“ machen und Lehrer werden. Vielleicht schreibe ich an dem Projekt später einmal weiter…

Danach bin ich sozusagen in die zweite Phase eingetreten und habe mein Referendariat in Stadthagen gemacht. Meine Schule, an der ich unterrichtet habe, war dabei an der Weser in der Stadt Stolzenau, in der Nähe von Minden.

Nach dem Refendariat, das ich 2004 abgeschlossen habe, konnte ich gleich anfangen zu  arbeiten, an einem Sekundarstufe 1 – Gymnasium (Anm. d. Red.: Gymnasium bis zur 10. Klasse), dem Gymnasium Langen im Kreis Cuxhaven. An dieser Schule wurde ich dann sehr schnell Fachobmann für Deutsch und habe auch die Koordination für die Jahrgänge 5 und 6 gemacht.

2009 habe ich mich mit einer gewissen Stundenanzahl versetzten lassen an das Niedersächsische Internatsgymnasium in Bad Bederkesa. Dort habe ich nur in der Oberstufe unterrichtet, war aber zugleich auch an dem Gymnasium in Langen und habe da weiter meine bisherige Tätigkeit ausgeübt. Ich wollte aber gerne auf die andere Weserseite zurück und Oberstufe unterrichten, um für andere Schulen attraktiv zu bleiben. 2012 habe ich mich am Gymnasium Brake als Koordinator der Mittelstufe und des Vertretungsplanes beworben und wurde dort angenommen. Diese Stelle habe ich sehr gerne ausgeübt, doch dann wurde die Stelle des Schulleiters am Jade-Gymnasium in Jaderberg ausgeschrieben und ich konnte mich dort durchsetzen. Für das Amt dort bin ich vom Land Niedersachsen für drei Jahre beurlaubt worden. Nach den drei Jahren musste ich mich entscheiden, ob ich mich weiter beurlauben lassen möchte, habe dies aber nicht getan, weil ich gerne nochmal eine andere Herausforderung in Angriff nehmen wollte und ich wusste, dass hier in Varel, aber auch in Jever die Schulleiterstellen frei wurden. Deshalb habe ich mich auf beide Stellen beworben, weil man sich auch nicht sicher sein kann, dass man tatsächlich auch die Stelle bekommt, weil die Konkurrenz in der Regel recht groß ist. Am Ende lief es auf Varel hinaus, worüber ich mich sehr gefreut habe.

Kaktus: Was sind denn ihre persönlichen Interessen?

Müller: Ich interessiere mich fürs Boßeln und Klootschießen, muss aber hier ein bisschen vorsichtig sein, Herr Frels ist ja im Schleuderball sogar deutscher Meister, so gut bin ich da längst nicht, aber ich boßle seit meiner Kindheit, das aber eben in Ostfriesland.

Dann interessiere ich mich sehr stark für die Region, auch weil ich Biologie-Lehrer bin. Also für alles, was hier an Pflanzen und Tieren beheimatet ist und ich bin deshalb auch häufiger mal auf dem Deich anzutreffen, einsamerweise mit meinem Fernglas und einem Spektiv. Das ist alles was, ich erst einmal zu meinen Hobbys sagen kann. Wenn ich Zeit habe, lese ich gerne, im Moment aber weniger. Hoffentlich ändert sich das wieder.

Kaktus: Kommen wir mal wieder zurück auf Ihre Schulzeit. Wie würden Sie die beschreiben? Waren Sie der Musterschüler oder mehr der Klassenclown?

Müller: Klassenclown war ich wahrlich nicht, ich gehörte wahrscheinlich schon zu den guten Schülern. Ich muss dazu auch sagen, dass ich mich von Schuljahr zu Schuljahr gesteigert habe, wenn man sich mal den Notendurchschnitt anschaut. Am Ende habe ich dann mein Abitur mit einem Schnitt von 1,7 gemacht. Mir hat meine Schulzeit aber sehr viel Spaß gemacht, also insbesondere die Schulzeit in Aurich in der Oberstufe. Ich hätte damals als Schüler sogar ans Lothar-Meyer-Gymnasium wechseln können, da die Schule in Wiesmoor keine gymnasiale Oberstufe führte, habe mich aber für Aurich entschieden. Die Zeit dort war für mich auch einer der Gründe, Lehrer zu werden. Wenn man also keinen Spaß an seiner Schulzeit hatte, sollte man vielleicht nicht Lehrer werden, es sei denn, es liegt an uninspirierenden Lehren und man selbst will es besser machen.

Kaktus: Sie sagten ja bereits, dass sie Deutsch und Biologie unterrichten, warum haben sie sich für diese Fächer entschieden?

Müller: Deutsch und Biologie sind auch meine Leistungskurse gewesen, als ich Abi gemacht habe. Für mich ist das eine schöne Mischung gewesen, weil auf der einen Seite eine Naturwissenschaft steht und auf der anderen Seite eben Deutsch als Sprach- und Geisteswissenschaft. Ich wusste über meinen Oberstufenunterricht in Deutsch, worauf das hinauslaufen wird, da dort mit einem gewissen Unicharakter unterrichtet wurde. Durch die Größe der Schule konnte man nicht nur Lehrer, sondern auch Leistungskurse mit unterschiedlichen Schwerpunkten wählen. Der eine Kurs zum Beispiel hat zu Thomas Mann gearbeitet, der andere zu Goethe, da war also früher mehr Freiheit drin. Das hatte mich so gepackt, in Bio als auch in Deutsch, dass ich mir vorstellen konnte, diese Fächer auch zu studieren.

Ich hatte mich aber auch damals für etwas ganz anderes beworben, für ein Forstwirtschaftsstudium und da hatte ich aus Göttingen auch schon eine Zusage. Ich entschied mich aber dagegen, da zu diesem Zeitpunkt viele Förster gar nicht mehr im Wald arbeiten sollten, sondern in Amtsstuben.

„Von Stärken und Schwächen redet man ja nicht so gerne.“

Kaktus: Sie selbst stellen ja auch neue Lehrer ein. Gibt es denn Stärken oder Schwächen, mit denen Ihre Schüler rechnen können?

Müller: Darüber muss ich erst einmal genauer nachdenken, was ich da sage, von Stärken und Schwächen redet man ja nicht so gerne. Das habe ich jetzt auch gemerkt, als wir hier gerade Bewerbungsgespräche geführt haben und ich derjenige bin, der solche Fragen stellt. Was früher noch nicht so ausgeprägt war, aber was ich jetzt als Stärke ans LMG mitbringe, ist ein größeres Maß an Gelassenheit. Wenn sich Probleme auftun, ist es meine Stärke, dass ich letztendlich doch gelassen bleibe, weil ich denke, es gehört irgendwie zu meiner Aufgabe als Schulleiter dazu, bestimmte Probleme zu lösen und dabei auch dafür zu sorgen, dass dies möglichst in Ruhe geschieht, damit alle am Ende mit erhobenem Haupte wieder aus der Problemlage heraustreten können.

Eine Schwäche, da muss ich mal genauer nachdenken. Manchmal ist es so, dass ich diese Gelassenheit brauche, wenn mir selbst Ideen kommen, weil ich manchmal vergesse, die Leute auch dann mitzunehmen. Also, das ist sicher eine Schwäche, dass ich weiß, dass ich in dem, was ich für die Schule plane, auch alle irgendwie mitnehmen muss, aber in bestimmten Situationen vergesse ich das auch mal und da muss ich deshalb noch an mir arbeiten. Ich versuche immer Lehrer, Schüler und Eltern mitzunehmen.

Kaktus: Haben Sie schon konkrete Ideen, in welche Richtung sich unsere Schule in den nächsten Jahren bewegen kann, hinsichtlich Schülern und Lernkonzepten?

Müller: Im Grunde gehört da alles zusammen, was ihr da gerade angesprochen habt. Es geht im Zuge der Umbau- und Renovierungsmaßnahmen auch darum, die Schule technisch so aufzustellen, dass moderner Unterricht möglich ist. Wir haben jetzt größtenteils Smartboards schon aufgestellt, Dokumentenkameras, alle neuen oder sanierten Räume sind schon mit PC’s eingerichtet. Das ist ein Weg, den die Schule weitergehen muss. Das ist technisch gesehen erstmal eine ganz wichtige Voraussetzung für modernen Unterricht. Das gilt aber nicht nur für allgemeine Unterrichtsräume, sondern eben auch für Fachunterrichtsräume und wir sind ja jetzt gerade dabei, die Absprachen mit dem Schulträger, dem LK Friesland zu treffen, wie zukünftig der N-Trakt aussehen wird und da haben wir uns auch ein paar „Bonbons“ überlegt, die experimentellen naturwissenschaftlichen Unterricht noch attraktiver für Schüler machen werden. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, über den ich an dieser Stelle noch nicht mehr sagen kann, aber da wird sich das LMG auch von Nachbarschulen unterscheiden können, da werden wir gut aufgestellt sein.

Kaktus: Sie sprachen ja schon von neuen Lernkonzepten, gibt es da vielleicht auch andere Dinge, die dem Schulunterricht fehlen, z.B. wird häufig darüber gespottet, man lerne in Mathe alles Mögliche, nur, wie man eine Steuererklärung macht, wisse man nicht?

Müller: Ich würde nicht sagen, im Schulsystem fehlt das, also im Bereich des Pflichtunterrichts. Natürlich könnte man sich darüber Gedanken machen, ob man nicht im freiwilligen Bereich, also im Ganztag, bzw. hier dann wohl eher im AG-Bereich, Angebote macht, die einen auf diese Alltagspflichten vorbereiten. Ich würde auf der anderen Seite immer entgegenhalten, dass Schule Grundlagen schafft. Mit den Grundlagen sollte es einem leicht möglich sein, eine Steuererklärung abzugeben. Ich glaube, dass man sich so etwas ein Stück weit selbst erarbeiten muss, und das kann man, wenn man hier die Schule verlassen hat mit einem Abitur in der Tasche.

„Mir ist es ein wichtiges Anliegen, dass die Schüler tatsächlich auch bei der Digitalisierung mitgenommen werden.“

Kaktus: Gibt es Ideen, die sie persönlich unbedingt einbringen oder realisieren möchten an unser Schule?

Müller: Mir ist es ein wichtiges Anliegen, dass die Schüler tatsächlich auch mit der Digitalisierung mitgenommen werden. Meistens können die Schüler ja viel mehr mit digitalen Geräten anfangen als die Lehrer. Was wir, vor allem aber in den unteren Klassen, immer wieder sehen, ist, dass die Schüler nicht verantwortungsvoll genug damit umgehen und es immer wieder, Stichwort Cybermobbing, zu Problemen kommt und darin würde ich auch eine wesentliche Aufgabe sehen. Mit unterschiedlichen Instrumenten, sei es Fachunterricht oder Sozialpädagogik, sei es das Krisenteam oder Präventionskonzepte, mit diesen Instrumenten sollten wir alle versuchen, überzeugend auf die Schüler einzuwirken. Sie nehmen dann hoffentlich diese fürsorgliche Hilfe an. Die Schüler sollen wissen, dass wir von Problemen wissen, die sich durch die Nutzung digitaler Endgeräte ergeben, also von sozialen Problemen, die sie in dem Moment vielleicht so nicht sehen, aber spätestens in zwei Jahren sehr bedauern würden. In diesem Bereich sehen Schüler häufig, dass sie technisch in der Handhabung weiter sind als die Lehrer. Nicht immer, es gibt auch viele besondere Ausnahmen,  aber mir wird das ja  als Schulleiter auch ab und zu mal zurückgemeldet. Auf der anderen Seite ist es so, dass den Schülern das Reflektieren über das, was sie da gerade im Internet tun, fehlt. Das ist ein heikler Punkt, mit Schülern da zu einem gemeinsamen Verständnis zu kommen, das dann auch nachhaltig ist und so viel Wirkung zeigt, dass alle einigermaßen vernünftig mit dem Internet umgehen.

Kaktus: Was macht Ihnen am meisten Spaß an ihrer Arbeit als Schulleiter?

Müller: Was mir sehr viel Spaß macht, ist tatsächlich Unterricht. Ich gebe ja nicht mehr so viel Unterricht und für mich ist das eigentlich immer ganz entspannend, wenn ich eine Doppelstunde am Tag geben kann. Das erlebe ich immer als ganz angenehm, weil ich dann sozusagen mit meiner „Kundschaft“ zu tun habe, mit den Schülern. Ich kann nur ein paar Stunden unterrichten, das hilft nichts, weil ich sonst zu wenig Zeit zum Arbeiten in meinem Büro bekomme, aber prinzipiell macht mir das immer noch am meisten Spaß. Genauso macht mir auch die Arbeit mit den Kollegen Spaß, zum Beispiel das Personalmanagement , also z.B. neue Lehrkräfte einzustellen. Das ist momentan auch ein großes Thema und ist sicherlich auch ein Grund, warum ich Schulleiter werden wollte.

Kaktus: Vielen Dank für das Interview!

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