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Ausgabe 52 TITELTHEMA

Wo bleibt die Verantwortung?

Die Politik rund um den Globus ist muss ihrer Verantwortung auch anderen Ländern gegenüber gerecht werden, stattdessen entzieht sie sich. Es wird Zeit für Veränderungen.

Auch in der Politik kann man egoistisches Handeln beobachten. Ein recht aktuelles Beispiel dafür ist der Brexit. Alles begann bereits am 23. Juni 2016, als 52% der Briten mit einer knappen Mehrheit für den Brexit stimmten. Es folgte der Rücktritt von David Cameron, dem damaligen Premierminister, einen Tag später und schließlich trat auch seine Nachfolgerin Theresa May, nach einigen erfolglosen Versuchen, einen einigermaßen geregelten Austritt aus der EU für ihr Land zu erzielen, am 7. Juni 2019 zurück. Schließlich wurde etwa eineinhalb Monate später Boris Johnson zum Parteichef der Conservative Party, umgangssprachlich auch „Tories“ genannt, gewählt und zwei Wochen später zum Premierminister ernannt. Damit brachen komplett neue Zeiten für das Vereinigte Königreich an. Immerhin gilt Johnson als hartnäckiger Befürworter des Brexits, weshalb er Großbritannien notfalls auch ohne Deal mit der EU aus der Europäischen Union führen würde. Doch wie weit er dabei wirklich geht, konnte zu dem Zeitpunkt noch keiner ahnen. Nachdem auch der neue Premierminister sich zunächst die Zähne am Parlament ausbiss, welches gegen all seine bisherigen Vorschläge stimmte, leitete er am 28. August das Unfassbare ein: Er verordnete dem britischen Parlament eine Zwangspause. Als die Queen dieser Verordnung zustimmte, stand ausgerechtet die Demokratie des Landes am Abgrund, welches in der Hinsicht jahrelang als Vorbild galt. Doch der im geschichtlichen Sinne große politische Fortschritt, der durch die Demokratie erzielt wurde, wurde in kurzer Zeit durch einen einzigen Mann ins Wanken gebracht und das möglicherweise nur, weil er seinen Willen, nämlich einen No-Deal-Brexit zu erzielen, nicht durchsetzen und damit nicht seine Macht beweisen konnte. Dies zeigt, welches Ausmaß das egoistische Handeln eines einzigen Mannes haben kann, wenn er vermutlich nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist und eine politisch machtvolle Position inne hat. Zwar war Johnsons Entscheidung rechtswidrig und dementsprechend nur von kurzer Dauer, doch er hat damit womöglich die ganze Welt in Angst und Schrecken versetzt. Nach weiteren Komplikationen, Verhandlungen und einen weiteren Aufschub für den Austritt war es am 31. Januar 2020 so weit: Das Vereinigte Königreich verließ mit einem zunächst ohne ein ausgehandeltes Abkommen die Europäische Union. Da das Ausmaß dieses Ereignisses noch sehr unabsehbar sind, können wir nur abwarten, was die ungewisse Zukunft für die EU und vor allem für Deutschland zum Jahresende bringt.

Im Jahr 2016 geschah jedoch noch etwas Anderes, außer dem britischen Referendum, bei dem für den Brexit gestimmt wurde: Donald Trump wurde im November zum 45. Präsidenten der USA gewählt und wurde damit zum mächtigsten Mann der Welt. Dabei schien es bereits zum Anfang des Wahlkampfes so, als hätte er kein wirkliches politisches Konzept, welches er umsetzen könnte, falls er die Wahl wirklich gewinnen würde. Das Einzige, was man diesbezüglich mitbekam, war seine Idee der Mauer an der Grenze zu Mexiko und die beiden Slogans ,,Make America great again.“ und „America first“, wobei beide schon von vorherigen Kandidaten früherer Präsidentschaftswahlen verwendet wurden. Doch trotzdem wurde der zweite eine Art Wahlkampfmotto des Multimilliardärs und bot somit schon damals genug Freiraum für Spekulationen über mögliche, eigennützige Alleingänge seitens Trumps. Doch das wirkliche Ausmaß seines Handels kann man jetzt, zum Ende seiner ersten Amtszeit, deutlich sehen.

Anfang 2018 belegte der US-Präsident  chinesische Waren, zunächst vor allem Eisen und Stahl, mit Strafzöllen von 10-25%, die also zum schon vereinbarten Zoll hinzugerechnet werden. Es folgten Hightech-Produkte, wie Industrieroboter, Telekommunikationsausrüstung und Lithium-Batterien. Anlass für diesen Protektionismus gab zum einen die Tatsache, dass die USA deutlich mehr chinesische Produkte importierte, als nach China exportiert wurden. Dies sorgte für Ärger auf Seiten des Präsidenten. Zudem wirft Trump China „Produktpiraterie“, also das Kopieren von amerikanischen Produkten vor, sodass er schließlich aktiv Protektionismus gegenüber China zum Schutz der amerikanischen Wirtschaft betreiben wollte. Das sollte vor allem die Stahl-und Aluminiumindustrie schützen, um so Arbeitsplätze in diesem Bereich aufzubauen. Protektionismus steht im starken Kontrast zur Globalisierung, da er sich statt auf den freien Handel zwischen einzelnen Ländern auf die Abschottung des Landes beruft, wodurch man sich wirtschaftliche Vorteile erhofft, so wie Trump bezüglich der Aluminium-und Stahlindustrie. Wie bei jedem egoistischen Handeln  gab es einen Benachteiligten, in diesem Fall China, da so wichtige Einnahmen im Bereich des Exports von Aluminium und Stahl wegbrachen. Doch natürlich schlug China zurück und verhängte ähnliche Strafzölle auf amerikanische Produkte, wie Schweinefleisch, Nüsse und Obst. Es folgten neue, gegenseitige Androhungen von Strafzöllen auf weitere Produkte. Fast zwei Jahre dauerte dieser Handelsstreit an, bis beide Länder Anfang dieses Jahres ein Teilabkommen unterzeichneten, womit beide Staatsoberhäupter vereinbarten, dass zwar die bereits bestehenden Strafzölle erst einmal bestehen bleiben, jedoch keine neuen folgen. Zudem verpflichten sich die Chinesen mit dem Abkommen dazu, das Erfindungseigentum der Amerikaner zukünftig zu schützen, ihre Importe der amerikanischen Produkte um hunderte Milliarden US-Dollar in den nächsten zwei Jahren zu erhöhen und dass sie den Amerikanern den Zugriff auf den chinesischen Markt erleichtern. Wir dürfen also sehr gespannt sein, wie sich die Handelsbeziehungen zukünftig zwischen den beiden Ländern entwickeln werden.

Doch der Handelsstreit mit China ist nicht der einzige Konflikt an dem die USA beteiligt sind. Ein weiterer ist der Iran-Krieg. Doch wie fing dieser eigentlich an und wie kam es zu der aktuellen Eskalation?

Der Konflikt begann bereits im Jahre 1953, als Amerika mit Hilfe des CIA (Central Intelligence Agency), also dem Auslandsgeheimdienst der USA, einen Regierungswechsel im Iran organisierte. So werden Amerika und der Iran Verbündete, was einen großen Vorteil für die USA darstellte, da sie nun einen unbegrenzten Zugang zum großen Ölvorkommen des Iran hatten. Es waren also auch schon damals stark egoistische Ansätze im amerikanischen Handeln sichtbar, da die Vereinigten Staaten ein Land eroberten, um mit dessen Ressourcen Profit zu machen, während die ursprüngliche Regierung benachteiligt war. Doch 1979 kam es zur iranischen Revolution, wodurch der  amerikanische Einfluss  beendet und der Iran zu einem islamischen Gottesstaat wurde. Es kommt zu zahlreichen, weiteren Vorfällen zwischen den beiden mittlerweile verfeindeten Ländern, wodurch sich der Gesamtkonflikt immer weiter zuspitzte. Gerade das 2015 beschlossene Atomabkommen zwischen dem Iran und den USA bot einen weiteren Anlass für zusätzliche Spannungen. Es entstand, da man allgemein vermutete, dass der Iran heimlich ein Atomprogramm erstellte, was dieser jedoch konsequent bestritt. Der Iran verpflichtete sich damit dazu, nicht an einem derartigen Programm zu arbeiten und die beteiligten Länder unterzeichneten, dass sie im Gegensatz  dazu jegliche Sanktionen, also ihr Mitspracherecht bei diversen iranischen Entscheidungen, bezüglich ihrer Politik und Wirtschaft, lockern werden. Doch die USA vermuteten, dass der Iran sich nicht an das Abkommen halte, weshalb man ihm nicht trauen könne. Geht es hier etwa um mehr als Misstrauen und spielt das große iranische Ölvorkommen immer noch eine entscheidende Rolle? Schließlich ist der Iran ein wesentlicher weltweiter Erdölexporteur, sowie auch Saudi-Arabien, ein wesentlicher Verbündeter der Vereinigten Staaten. Zudem exportiert mittlerweile auch Amerika Öl, welches durch Fracking gewonnen wird. Geht es vielleicht darum die Konkurrenz in dem Bereich kleinzuhalten, um so mehr Gewinn erzielen zu können? Die Vermutung liegt zumindest nahe, sodass diese Art egoistischen Handelns nicht auszuschließen ist.

Eine möglicherweise willkommene Gelegenheit dazu bot der Atomwaffenvertrag, aus dem Trump 2018 ausgestiegen ist, da sich der Iran nach Meinung der USA nicht an Abkommen halte, wodurch die eigentlich bereits 2015 aufs Eis gelegten Sanktionen wieder in Kraft traten. Zudem stellte der US-Präsident die an den Sanktionen beteiligten Länder vor die Wahl, ob sie die USA unterstützen oder einen Konflikt mit ihnen provozieren wollen. Die Folge des egoistischen Handelns der USA war, dass die Wirtschaft des Irans immer weiter abgeschwächt wurde. All diese Spannungen werden dadurch verstärkt, dass sich der Iran und die USA gegenseitig vom Anderen bedroht fühlen. Hat der Iran-Konflikt damit neue Dimension erreicht? Schließlich sieht man aktuell häufig Berichte über den Mord an dem iranischen Offizier Soleimani, der durch den von Trump erteilten Auftrag am 3. Januar dieses Jahres von den USA begangen wurde. Mit dem tödlichen Luftangriff wollte der US-Präsident die Führung des Irans schwächen, schließlich galt Soleimani als sehr angesehener und einflussreicher General. Demnach ging es dem US-Präsidenten also wieder um Macht. Doch sein Egoismus blieb nicht ungestraft, da der Iran draufhin eine US-Basis im Irak angriff. Der US-Präsident reagierte mit einer Rechtfertigung des Mordes an den iranischen General, dieser sei ein Massenmörder gewesen.

Der Mord könnte zudem auch Konsequenzen mit Nordkorea nach sich ziehen, da die USA und der ostasiatische Staat wegen des Atomstreits sowieso in einem Konflikt befinden. Schließlich entwickeln beide Staaten Massenvernichtungswaffen und haben sich möglicherweise bei der Entwicklung von Raketen unterstützt. Diese Verflechtung mit Nordkorea macht den Iran-Konflikt und dessen Folgen noch unabsehbarer, da der nordkoreanische Machthaber allgemein als unberechenbarer Diktator bekannt ist. Schließlich listeten die UN bereits vor Jahren die Verbrechen, wie Folterungen, Aushungern oder Hinrichtungen auf, die Kim Jong Un demnach gegenüber der nordkoreanischen Bevölkerung begangen haben soll. Doch es bleibt abzuwarten, wie lange das Oberhaupt von Nordkorea sich bezüglich der aktuellen Ereignisse enthält und ob es überhaupt eine Reaktion darauf geben wird. Allerdings sollte sich  vor allem Amerika in Zukunft sowohl vor  den Iran als auch vor Nordkorea in Acht nehmen.

„Allerdings scheint dieser Populismus zu funktionieren, schließlich gibt es beispielsweise in Dresden jeden Montag Proteste“

Jedoch wird auch die Richtung, die die Politik in Deutschland einschlägt, immer beängstigender. Mittlerweile ist die AFD in allen 16 Landtagen vertreten und wenn man die rechtsorientierte Partei im Internet sucht, findet man zahlreiche Skandale und rechtsextreme Äußerungen, wie der ,,Vogelschiss“ oder ,,Denkmal der Schande“. Damit macht die Partei Schlagzeilen und schürt, auch mit ihrem Wahlprogramm Ängste der deutschen Bevölkerung, um an Wählerstimmen zu gewinnen. Allerdings scheint dieser Populismus zu funktionieren, schließlich gibt es beispielsweise in Dresden jeden Montag Proteste gegen die Immigration ausländischer Flüchtlinge und auch Attentate gegen Mitbürger, die einer anderen Religion angehören, wie der Anschlag auf eine Synagoge am 9. Oktober 2019, dem höchsten jüdischen Feiertag in Halle, bei dem zwei Menschen erschossen wurden. Dieser Anschlag wurde nachweislich aus rechtsextremen Gründen verübt. Auch weltweit betrachtet,  gewinnt das Spiel mit der Angst immer mehr Anhänger, schließlich zählt auch Donald Trump, als wohl mächtigster Mann der Welt, zu den Populisten. Sowohl die AFD als auch der amerikanische Präsident vertreten besorgniserregende Theorien, sodass beide behaupten, dass es den Klimawandel nicht gebe. Die AFD plant sogar, das vorgesehene Kohleausstiegsgesetz zu stoppen. Damit wendet sie sich gegen die Allgemeinheit, auch gegen zahlreiche Wissenschaftler, sorgt aber für Aufsehen und Polarität. Ist nicht auch diese Denkweise egoistisch?

Insgesamt lässt sich sagen, dass die heutige Welt zu einem höheren Maß egoistisch ist, als man zunächst denkt, weil viele alltägliche, politische und wirtschaftliche Handlungen einen egoistischen Grundgedanken beinhalten. Auch wenn die Gesellschaft, die wir kennen, nicht ohne Egoismus existieren kann, fällt auf, dass zur Zeit viele Politiker in führenden Positionen sind, die für ihre Alleingänge bekannt sind. Zudem findet man auch Diktaturen vor. Bei ihren Handlungen scheint ihr eigener Vorteil wichtiger als das Wohl Anderer zu sein. Jedoch gibt es auch einzelne Personen und Gruppen von Menschen, die selbstlos agieren, indem sie an Bedürftige spenden, kranken oder verletzten Tieren helfen oder gegen den Klimawandel demonstrieren. Es kommt also auf die Einstellung einer Person, deren Umfeld und allgemeine Erziehung an, in welchem Maße ein Mensch altruistisch oder egoistisch handelt. Doch klar ist, dass durch jede altruistische Handlung die Welt etwas selbstloser wird, weshalb es sich für jeden einzelnen lohnt, zumindest ab und zu an andere zu denken.

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Ausgabe 52 TITELTHEMA

Zuerst ich

Im Zuge von Corona wird er überall sichtbar: der allgegenwärtige Egoismus in unseren Köpfen. Wenn es hart auf hart kommt, denkt Jeder an sich. Das heißt aber noch lange nicht, dass dadurch an Jeden gedacht ist.

Tatort: Supermarkt, Mitte April. Die Toilettenpapierregale sind wieder leer. Der einzige Hinweis, der auf den wohl kostbarsten Rohstoff der Nation verweist,  sind Schilder: „Pro Kunde nur eine Packung Toilettenpapier!“ Doch dies scheint wirkungslos. Jeden Tag werden die Regale aufgefüllt und genauso schnell wieder geräumt.

Auch in den sozialen Medien wie Instagram, Snapchat, Facebook etc. kursieren neueste Videos, in denen die Reaktionen von Kunden diverser Drogerie- und Supermarktfilialen auf die rationsähnliche Herausgabe von Toilettenpapier gefilmt wurden. Zugegeben lustig anzusehen, wäre es nicht Realität.

Schnell merken wir also auch schon direkt vor unserer Haustür die starke Differenz zwischen Egoismus und Altruismus. Doch nicht nur im Kleinen, sondern auch auf der großen internationalen Bühne spüren wir Spannungen zwischen Nächstenliebe und Eigennutz.

„Man kann nicht allen helfen“, sagt der Engherzige und hilft keinem.

Marie von Ebner-Eschenbach (1813-1916)

Wenige Zitate bringen die derzeitige Situation so gut auf den Punkt wie dieses. Denn die Frage, welche wir uns in Deutschland zum Glück nie praktisch stellen mussten, ob man einen Corona-Patienten noch beatmen solle, sorgte immer wieder für Diskussionen. Besonders in dem krisengebeutelten Italien, wo die Gesundheitsversorgung an die Grenzen gekommen ist, stellten sich Menschen diese Frage. Parolen wie  “Die wären doch sowieso gestorben” sorgten für hitzige Diskussion. Und schnell erkennt man, dass Egoismus oft gar nicht so leicht zu definieren ist. Denn selbst der Mediziner Matthias Thöns sagt, dass die Folgen einer Beatmung älterer Menschen oft gravierender seien und teils zu Behinderungen oder Tod führen könnten. Ist die Forderung, ältere Menschen also nicht mehr zu beatmen, doch kein Egoismus? Ist dies nur logisch? Diese Fragen bleiben weiterhin schwer zu beantworten. Was ist nun Egoismus? Wo hört das Prinzip der bedingungslosen Nächstenliebe auf, um eine vermeintliche logische Entscheidung zu treffen? Antworten werden wir darauf nicht oder nur schwer finden.  Doch es führt uns zu einem  weiteren Punkt:

“Länder, unter ihnen auch Deutschland, nehmen Patienten aus Italien und Frankreich auf.” Eine Meldung, die in der Corona-Zeit die Solidarität der Länder zeigt. Genau diese Solidarität zwischen Ländern ist oftmals schneller verloren gegangen als je zuvor. Doch sie hat anscheinend auch Grenzen, wenn man das überfüllte Flüchtlingslager von Moria beachtet.

In der Politik ist es zwar nicht immer leicht, den ständig wechselnden Wertevorstellungen der Bevölkerung gerecht zu werden. Und doch haben sich gerade in der Coronakrise Politiker und Staaten offen egoistisch gezeigt.

Donald Trump hat seinen Wahlslogan „America First“ erst recht nicht in der größten Krise seit dem zweiten Weltkrieg aufgegeben, wobei hier noch anzumerken ist, dass der amerikanische Präsident nur wenige Wochen, bevor die Infektionszahlen in den USA explodierten, auf öffentlichen Veranstaltungen von einer normalen Grippe sprach, die nur von den Demokraten aufgebauscht worden sei. Tatsächlich aber haben die Vereinigten Staaten mit  aktuell über 130.000 Toten deutlich mehr Opfer zu beklagen als bei einer Grippewelle.

Als dann aber auch der Präsident einsehen musste, dass dem nicht so ist, inszenierte er sich zum Retter. Ohne Vorankündigung oder Warnung wurden die Grenzen geschlossen, Einreisende, die aus der EU mit dem Flugzeug in den USA landeten, wurden abgewiesen und wieder nach Europa geschickt. Toronto, die kanadische Metropole an der amerikanischen Grenze, musste auf einen Großteil ihrer medizinischen Kräfte aus den USA verzichten, da diese nicht mehr ausreisen durften – in der schlimmsten Krise seit Jahrzehnten. Da bleibt die Frage offen, ob die spontanen Grenzschließungen überhaupt geholfen haben, da die Infektionszahlen weiter unaufhörlich gestiegen sind.

Doch auch der Versuch von US-Präsident Donald Trump, einen möglichen Corona-Impfstoff des Tübinger Biotechunternehmens „Curevac“ exklusiv für die USA zu kaufen, verdeutlicht den Egoismus in der Krise. Auch wenn dieser Kauf gescheitert ist, er zeigt den Kampf um die vermeintliche Rettung der eigenen Nation. America first auf Kosten anderer.

Die schlussendliche Niederlage gegen die Pandemie des einst mächtigsten Land der Welt wurde deutlich, als das gigantische Lazarett-Schiff “Comfort” in den Hafen von New York City einlief, um die örtlichen Krankenhäuser zu entlasten. Ein Bild mit starker Symbolkraft.

„Das Geld zieht nur den Eigennutz an und verführt stets unwiderstehlich zum Missbrauch.“

Albert Einstein (1879-1955)

 Doch auch einige Unternehmen versuchen sich selbst in der Krise zu bereichern. So schossen die Preise für Masken, meist in Fernost genäht, in die Höhe. So berichtet Sabine Harmsen, Geschäftsführerin der Firma Harmsen Trading in Troisdorf in einem Spiegel-Interview,  dass die Preise für eine Maske vor der Corona-Krise bei fünf Cent lagen und teilweise auf über 50 Cent, also mehr als das zehnfache gestiegen sind. Natürlich bestimme die hohe Nachfrage den Preis, solche starken Erhöhungen sind jedoch mindestens infrage zu stellen, besonders in einer so großen Bedrohung für die gesamte Bevölkerung.

Doch nicht nur Unternehmen, die Qualitätsmasken anbieten, erhöhen drastisch ihre Preise, sondern es bilden sich auch neue Produzenten von Masken, ohne geprüfte Qualität, welche nun vom erhofften Geldregen ebenso profitieren wollen.

Doch trotzdem bilden einzelne Fälle eine Gegenseite ab. So schickte Deutschland Schutzkleidung zum Beispiel nach Italien und China. Wenige Wochen später erhielt aber auch Deutschland Spenden von Schutzkleidung aus China oder auch der Türkei. Egoismus und Solidarität sind also überall zu finden, man muss nur richtig suchen.

Die europäische Solidarität hat in der Corona-Krise aber auch ihre Grenzen gefunden. Aus einer EU, welche schon vor Corona stark gespalten war, ist ein Flickenteppich verschiedener staatlicher Regelungen geworden.  Früh, jedoch teils trotzdem zu spät, wie viele meinen, wurden Grenzen zu bestimmten Nachbarländern geschlossen, Quarantäneregelungen je nach Land unterschiedlich angewandt und teils grundverschiedene Umgangsformen mit dem Virus präsentiert. Man beachte Schweden:

Ein Land, welches in der EU lange einen sehr hohen Stellenwert für gute Umwelt-, Bildungs- und Sozialpolitik hatte und immer wieder als Vorbild genutzt wurde. Und nun? Das Land kämpft mit einer hohen Anzahl an  Coronatoten. Die Strategie, nur kleiner Maßnahmen zu ergreifen und das öffentliche Leben zum großen Teil kaum einzuschränken, bleibt zweifelhaft.  Denn trotz geringer Besiedlungsdichte steigen die Zahlen immer weiter an. Ganz anders handelten Länder wie Spanien oder Italien, welche stark betroffen durch das Corona-Virus einen Lockdown festsetzten, um so die Krise zu überstehen. Welche Wege nun erfolgreicher sind, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch, dass in der Krise die einzelnen Länder anscheinend ihren eigenen Weg gehen, was natürlich auch an unterschiedlichen Gesundheitssystemen und dem Verlauf von Covid-19 liegt, und sich nicht, wie von der EU gewünscht, absprechen und Informationen austauschen.

Doch auch innerhalb Deutschlands gibt es neue Wege, die gegangen werden. So berichtet Zeit Online, dass in Berlin und anderen Großstädten Deutschlands “temporäre Spielstraßen” errichtet werden oder sogar ganze Straßen für den Autoverkehr gesperrt werden. Nachbarn kommen zusammen, Kinder können trotz geschlossener Kindergärten zusammen spielen und es entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. Ein Gefühl, das lange kaum merklich zu erkennen war und durch Wände nahezu gestoppt wurde. Neuer Freiraum schafft ein also Gemeinschaftsgefühl. Doch nicht nur Freiraum, sondern auch die Einschränkungen der Risikogruppen sorgen für eine neue Gemeinschaft, eine nicht egoistische. Angestoßen von “Kaktus”-Chefredakteur Lennart Busch entwickelte der zwölfte Jahrgang des Lothar-Meyer-Gymnasiums ein Konzept, wie man älteren Menschen helfe kann, indem man sie in der Krise im Alltag unterstützt, etwa durch einen Einkaufsservice. Eine Aktion mit Erfolg, welche auch in zahlreichen anderen Orten durch diverse Schulen, Vereine oder andere Einrichtungen durchgeführt wurde. Eine Aktion, die vor Corona kaum vorstellbar gewesen wäre.

Was ist also das Fazit?

Egoismus ist ein Thema, bei dem sich jeder von uns auch mal an seine eigene Nase fassen kann. Handeln wir moralisch richtig? Was sind denn die Wertmaßstäbe, mit denen wir nicht egoistisch handeln?

Doch die Werte, welche den Egoismus definieren, sind nicht starr, sie sind wandelbar und müssen ständig neu definiert werden. Im diesem neuen Kaktus berichten wir über aktuelle Egoismus-Themen, welche darstellen, wie umfangreich dieses Thema ist.  

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Ausgabe 52 SPORT

Jahrgang 12 auf Skifahrt

Für einige Schüler des zwölften Jahrgangs ging es nach fast einem halben Jahr Ausdauertraining, um uns auf die anstehende Ski- und Snowboardfahrt vorzubereiten, endlich nach St. Ulrich am Pillersee in Österreich, um das Ski- beziehungsweise Snowboardfahren zu erlernen. Die meisten von uns standen vorher noch nie in ihrem Leben auf Skiern oder einem Snowboard.

So war es Anfang Januar endlich soweit. Bereits um viertel vor acht standen alle gemeinsam am Bahnhof und warteten auf den ersten Zug, womit unsere etwa elf Stunden lange Fahrt beginnen sollte. Entgegen der Erwartungen verlief die Hintour mit der Deutschen Bahn einwandfrei und wir erreichten am Abend den Bahnhof in Fieberbrunn, einem vergleichsweise größerem Ort in der Nähe unserer Unterkunft. Nach einer kurzen Fahrt mit dem Bus waren wir schließlich im Tirolerhof angekommen und wurden direkt von Konrad, dem Wirt, herzlich begrüßt. Nach der friedlichen Verteilung der Zimmer begannen wir damit, diese zu beziehen und die rustikal eingerichteten Zimmer mit jeweils einem Doppelbett, einem Schlafsofa und einem eigenen Badezimmer konnten sich durchaus sehen lassen. Doch das absolute Highlight der Zimmer war der enthaltene Balkon, von dem man die schöne Aussicht auf eine mit Schnee bedeckte Berglandschaft genießen konnte. Gerade eingerichtet, ging es für uns schon zum Essen. Diniert wurde immer in einem extra gelegenen Aufenthaltsraum, wo wir ein Vier-Gänge-Menü genießen konnten. Bereits am ersten Abend gab es ein Salatbuffet mit einer anschließenden Suppe, gefolgt von einem deftigen Hauptgericht und einem wirklich köstlichen Nachtisch. Zudem lernten wir Rainer kenne, der uns immer mit ausreichend Wasser versorgte und um einen lockeren Spruch nicht verlegen war. Anschließend zeigten uns Herr Begert und Frau Weidner die wunderschöne Umgebung des kleinen Örtchens. Besonders der Schnee, welcher bei uns ja leider mittlerweile eher selten ist, hatte es uns angetan. Nach einem ausgiebigen Spaziergang fielen wir total erschöpft ins Bett und waren gespannt auf den ersten Skitag.

Schon um Viertel vor acht sollten alle Schüler beim Frühstück zu finden sein, denn um kurz nach acht fuhr bereits der Bus ins erste Skigebiet, der Buchensteinwand. Nach der Ausleihe der Ausrüstung ging es endlich los. Doch schon der Weg von der Ausleihe zum eigentlichen Skigebiet wurde gerade für mich zum Verhängnis, da ich mitsamt meiner gesamten Ausrüstung einen kleinen Hügel herunterrutschte. Denn schon die Skischuhe erwiesen sich als kleine Hürde beim Laufen. Während die meisten von uns bereits nach der Mittagspause den Anfängerlift nutzten, um längere Strecken zu fahren, brauchten einige noch etwas Zeit, um sich mit der Materie vertraut zu machen. Viel zu schnell ging der erste Tag zu Ende und wir begaben uns zur Unterkunft zurück. Nach dem Essen wurde dann ein gemeinsamer Spieleabend veranstaltet, der das Miteinander in der Gruppe stärkte.

Auch am zweiten Tag wurde wieder fleißig geübt. Während einige schon gewaltige Fortschritte machten, hingen andere, inklusive mir, noch etwas zurück, aber bekanntermaßen ist jeder Anfang schwierig. Am Nachmittag hatten wir die Gelegenheit, in den Ort zu gehen und uns beim Spar-Markt Proviant für die nächsten Tage zu kaufen. Auf der Suche nach einer Apotheke entdeckten wir einen kleinen Souvenirladen, den ich im Laufe der Woche noch öfter besuchen sollte. Während des Essens in der Pension fiel uns ein junger Mann mit Lederhose, einem karierten Hemd und hochgezogenen Socken auf, welcher uns freundlich begrüßte. Wie sich später herausstellte, war dieser Mann ein Musiker und fing an, für uns auf seinem Musikinstrument, einer Art Akkordeon, zu spielen. Da er auch noch einige andere Instrumente dabei hatte, bezog er uns mit ein und jeder von uns hatte die Ehre mitzuspielen. Nebenbei wurde noch gemeinsam gesungen und der Abend wurde in vollen Zügen genossen. Später traf auch Konrad, selbst ein begeisterter Akkordeonspieler, dazu und die Stimmung ging weiter in die Höhe.

Am Dienstag ging es dann in ein neues Skigebiet und es entwickelte sich langsam der Spaß am Fahren und die ersten Erfolge trafen ein. Aufgrund eines Missverständnissen fand am Abend kein Eishockeyspiel statt und Herr Begert führte die Gruppe erneut durch das kleine Örtchen, doch dieses Mal nutzten wir eher Schleichwege und der Ausflug wurde zu einer kleinen Nachtwanderung. Am nächsten Abend konnten wir uns nun das lang ersehnte Eishockeyspiel der Heimmannschaft, den „Nuaracher Bulls“, anschauen. Zunächst lag die Heimmannschaft zurück und die Gegner erzielten weitere Tore. Aufgrund des etwas langsamen Spielverhaltens der Bulls, ihrer scheinbar aussichtslosen Situation und der vorherrschenden Kälte ging ein Teil unserer Gruppe zur Unterkunft zurück. Doch ab diesem Moment ging das Spiel im letzten Drittel erst richtig los. Als hätte man die Mannschaft ausgewechselt, wurde das Spielverhalten immer schneller und besser, sodass die Bulls noch drei weitere Tore holten und das Spiel schließlich mit einem 6:6 ausging.

Am vierten Tag ging es auch bei mir aufwärts und ich schaffte es wahnsinnig glücklich über meine eigene Leistung endlich, selbstständig auf Skiern Kurven zu fahren. Am Abend schauten wir uns Videos der einzelnen Schüler während ihrer Skifahrten an, was für einige Lacher sorgte. Auch das Miteinander in der Gruppe wurde immer besser und wir begannen damit, uns eine ewig andauernde Skifahrt auszumalen.

Die Zeit verging wie im Flug und nach einem erfolgreichen vorletzten Tag brach der letzte Tag an, an dem wir das Skifahren in vollen Zügen genossenen und auch die anstehenden Prüfungsfahrten mit Bravour meisterten. Am letzten Abend überraschten die Lehrer uns mit einer Fackelwanderung, bei der wir ein allerletztes Mal die weiße Landschaft und die Berge auf uns wirken lassen konnten. 

Am Samstag war der Tag der Abreise gekommen. Die letzten Sachen wurden gepackt und das letzte Frühstück in Österreich wurde eingenommen. Anschließend stürmten wir alle nach draußen, zettelten eine Schneeballschlacht an und passend dazu, begann es zu schneien. Auch wenn es uns sehr schwerfiel, mussten wir uns schweren Herzens von Konrad verabschieden und uns zum Bahnhof aufmachen. Da wir noch etwas Zeit am Bahnhof hatten, verewigten einige von uns die Gruppe mit einem riesigen Schneemann, welcher sofort das Interesse der anderen Passanten auf sich zog. 

Nach einer sehr anstrengenden Rückfahrt mit insgesamt einer Stunde Verspätung, mehreren Umstiegen und überfüllten Zügen kamen wir schließlich völlig erschöpft in Varel an und hatten unseren Familien wahnsinnig viel über die vergangene Woche zu erzählen.

Insgesamt kann ich nun sagen, dass diese Skifahrt für mich eine unglaubliche Erfahrung war, die ich nicht missen möchte. In dieser Woche konnte ich etwas Neues erlernen, worauf ich garantiert in Zukunft noch aufbauen werde. Auch habe ich viel erlebt, neue Freundschaften geschlossen und mich mit allen Beteiligten bestens verstanden. Daher möchte ich mich bei allen bedanken, die diese Fahrt zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht haben.

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Ausgabe 52 TITELTHEMA

„Du Ego“

Egoismus im Sport kennt jeder Schüler aus dem Sportunterricht oder von den alljährlichen Sporttunieren der Schule. Sei es, weil jemand den Ball nicht abgibt, damit er selber einen Punkt erzielen kann, oder weil die gegnerische Mannschaft unfair und aggressiv spielt, nur damit sie gewinnt. Im Rahmen unseres Titelthemas hat sich Malte mit diesem Problem beschäftigt.

Ein Kommentar von Malte

Egoismus ist ein großes Thema in der heutigen Gesellschaft. Sei es für manche, dass der Mitschüler einen nicht abschreiben lässt, aber auch und besonders im Sport spielt der Egoismus eine große Rolle. Denn immer wieder hört man Sportler rufen „Du Ego“ oder „Du Egogänger“, man höre nur einmal genauer bei unseren jährlichen Schulturnieren oder im Schulsport hin. Doch nicht nur im Schul-  oder  Amateurbereich, sondern auch im Spitzensport hat das eigene Ego einen hohen Stellenwert. Eine Kolumne (2013) von Zeit Online  geht sogar noch weiter und verallgemeinert: „Sport ist etwas sehr Egoistisches.“ Doch wo fängt der Egoismus an? Denn eigentlich werden doch die meisten Sportarten als großer Teamsport, zum Beispiele Fußball, Handball, etc., dargestellt.

Viele Profisportler haben den Ruf, meist egoistisch zu handeln und teilweise auch mit Recht. Ein Punkt wird jedoch oft verwechselt oder ist auch schwer zu definieren, nämlich dass, wer erfolgreich werden will, auch ein gesundes Selbstwertgefühl haben sollte, was im Übrigen nicht nur im Sport gilt, und auch keinen Konkurrenzkampf scheuen sollte. Allgemein wird dies oft als Leistungsmotivation bezeichnet, denn nur so entsteht ein Wettbewerb. Dieser Wettbewerb fängt auch schon früh an, denn bereits auf Sichtungsturnieren der besten Spieler (Beispiel Ballsportarten) wird den Spielern gesagt, dass die Scouts kaum auf ein gutes Zusammenspielachten achten, sondern auf die Stärke des Einzelnen. Natürlich wird auch auf die Körpersprache innerhalb der Mannschaft geachtet, doch nur als Nebenaspekt.

Das merkt man auch besonders an der aktuellen Transferpolitik vieler Fußballvereine. Passen die Spieler überhaupt alle zusammen oder haben wir zu viele starke Charaktere in einer Mannschaft?

Neymar wechselte zum Beispiel unter anderem vom FC Barcelona zu Paris Saint Germain, weil er nicht weiter im Schatten von Lionel Messi stehen wollte. Verständlich? Ein Stück, denn für eine erfolgreiche Karriere sollte man positiv (bei Neymar wichtig zu erwähnen) auffallen. Doch dieser „gesunde Egoismus eines Sportlers“ hat auch Grenzen, besonders dann, wenn sein eigener Egoismus dem Team schadet. Bleiben wir bei Neymar. Schadet sein Wechseltheater der Mannschaft? JA. Schadet es der Mannschaft, den Ball vor dem Tor nicht noch einmal quer zu legen, wenn der Mitspieler besser steht? JA. Es ist also ein Abwägen, inwieweit mein Egoismus wirklich nützlich ist. Denn verliert man dadurch ein Spiel oder gar Turnier, hat sich dieser nicht gelohnt und auch meine Karriere wird durch solche Aktionen nicht besser.

Hat man an richtiger Stelle jedoch das richtige Selbstbewusstsein und übernimmt Verantwortung, muss dies auch nicht immer totaler Egoismus sein. Wie zum Beispiel Toni Kroos, der ein Tor durch den Freistoß erzielte und so Deutschland Hoffnung auf ein Weiterkommen machte. Dies war kein Egoismus, sondern Verantwortung, die er für eine Mannschaft, die stark unter Druck stand, übernahm. Solche Entscheidungsspieler benötigt eine Mannschaft.

Ein anderes Beispiel ist die aktuelle Debatte um Völkerball. Auch hier erkennt man des Öfteren Egoismus. Der beste Werfer und Fänger bekommt alle Bälle und wirft dann die Schwächsten ab. Manche argumentieren, wo ist dort der Egoismus? Er übernimmt die Verantwortung für sein Team, um zu gewinnen. Der beste Werfer versucht lieber die letzte Person aus dem gegnerischen Team abzuwerfen, als den Ball zu seinen „gefallenen“ Teamkameraden zu geben, um sie „wieder zu erwecken“. Er will doch nur mit ihnen gewinnen.

Das ist in den meisten Fällen Egoismus, denn sind auch die Teammitglieder glücklich über den Sieg? Eher weniger, denn sie durften nur dabei sein, ohne selbst zu wirken.

“Dieser gesunde Egoismus eines Sportlers hat auch Grenzen”

Auch erklärt der Kolumnist von ZEIT ONLINE, dass Menschen, die ins Fitnessstudio gingen, egoistisch geprägt seien, da sie nur darauf achteten, wie der eigene Körper aussehe.

Aber neben den wahrscheinlich besseren Leistungen hat Egoismus auch weitere Vorteile. Denn wann bin ich denn egoistisch? Oftmals dann, wenn ich für etwas eine Leidenschaft entwickelt habe. Und diese Leidenschaft treibt uns an und lässt uns besser werden.

Man sieht also, Egoismus im Sport ist weit verbreitet und je nach Standpunkt unterschiedlich. Es ist aber auch ein schmaler Grat, auf dem man wandert.

So sollte sich also jeder, der sich zu den Besten zählt, überlegen, was sein eigener Anspruch an sich selbst ist. Bin ich der Beste, wenn ich nur die vermeintlich Schwächeren treffe? Nein. Denn der Beste ist der, der auch die sehr guten trifft und auch zusammen mit schwächeren gewinnt. Und eins sollte man sich merken: Keiner ist überall der Beste, irgendwann kommt alles wieder zurück.

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Ausgabe 52 SPORT

Das Risiko tragen die Sportler

Keine andere Marke im Sport steht so für „Höher, schneller, weiter“, wie Red Bull. Als der Österreicher Felix Baumgartner aus einer Kapsel in der Stratosphäre in 40km Höhe sprang, stand ein Markenname ganz groß auf der Kapsel: Red Bull. Doch die Risiken eines misslungenen Starts waren groß – und von Red Bull mit einkalkuliert.

Wenn man Egoismus liest, so denkt man oft an Egoismus im „kleinen Stil“, wie zum Beispiel in der Schule oder auch beim Sport. Doch findet man Egoismus auch im großen Stil? Ja. Sei es in der Politik, wo sich der Egoismus um den eigenen Machterhalt dreht, aber auch in der Wirtschaft. Denn auch hier geht es oft um das Wohl des Unternehmens zu Lasten von Verbrauchern oder Umwelt. Aber es lässt sich streiten, ob Egoismus oder auch Eigennutz negativ sind, denn sie sind Bestandteile der Wirtschafts- und Marktordnung in Deutschland, der freien Marktwirtschaft. Diese Ordnung benötigt aber eine gewisse Eigennützigkeit, denn ohne die kann es keinen Wettbewerb geben. Schwierig wird es jedoch, wenn dieser Eigennutz andere Menschen in Gefahr bringt, wie es zum Beispiel in bestimmten Fällen beim Marketing geschieht. Marketing gibt es nur durch den großen Konkurrenzkampf auf dem Markt.

Besonders auffällig ist hier Red Bull, denn Red Bull gibt für Marketing mehrere Milliarden Euro aus.  Dieses Geld wird hier besonders gerne für Extremsportarten ausgegeben, von denen Gründer Mateschitz ein großer Fan ist, um ihren Werbeslogan „Red Bull verleiht Flügel“ nur weiter zu untermauern. In den Werbevideos werden Stunts gezeigt, die nur so vor Energie sprühen, immer nach dem Motto „höher, schneller, weiter“.

Die Unternehmensgeschichte begann damit, dass Gründer Dietrich Mateschitz 1982 eine Reise nach Thailand antrat und dort seinen Jetlag überwinden wollte. In Fernost war schon seit dem Zweitem Weltkrieg bekannt, dass japanische Piloten taurinhaltige Getränke, heute würde man sie Energy-drinks nennen, zu sich nahmen, um ihre Leistung zu steigern. Mit der Hilfe eines Thailänders kopierte Mateschitz diese Art des Getränks, aber so, dass der Geschmack besser auf den europäischen Markt angepasst wurde. 1987 gingen die beiden mit Red Bull auf den Markt und überzeugten damals schon durch geschicktes Marketing. Zu Beginn gab es viele gesundheitliche Bedenken und sogar Verbote. So durfte das taurinhaltige Originalgetränk von Red Bull bis 2008 in Frankreich nicht verkauft werden.                         

Doch trotzdem war die Euphorie in ganz Europa groß und vor allem junge Leute waren überzeugt von dem Getränk, einerseits durch den Geschmack, aber auch durch das geschickte Marketing.

Denn selbst das Verbot oder die Warnungen gaben Red Bull das gewünschte Image eines Getränks für „Grenzgänger“, wie es auch in den zahlreichen Werbevideos gezeigt wird, wenn Extremsportler an die Grenzen dessen gehen, was möglich ist. 

Auffällig ist, dass die Red Bull GmbH gar keine eigenen Produktionsstandorte besitzt, stattdessen produziert die Firma „Rauch Fruchtsäfte“ exklusiv in Vorarlberg, Österreich, das Getränk und füllt es direkt vor Ort in die bekannten Dosen. Dass die Getränke direkt vor Ort in die Dosen abgefüllt werden, ist sehr klimafreundlich, womit die Red Bull GmbH auch öffentlich stark wirbt, also wieder starkes Marketing. Deshalb ist der Hauptsitz von Red Bull, in Fuschl am See, auch kein Produktionssitz, sondern eine große Marketingmaschine. Denn ca. ein Drittel des gesamten Umsatzes wird nur für das Marketing verwendet. Das ist mehr als für die Produktion ausgegeben wird.

So kommt es auch, dass viele Ereignisse, die weltbekannt sind, ohne Red Bull nie zustande gekommen wären: zum Beispiel der bekannte Stratosphären-Sprung von Felix Baumgartner. Baumgartner ist zwar nicht verunglückt, doch das Risiko, welches Red Bull in Kauf genommen hat, war sehr groß. Denn dieser Sprung hat große Aufmerksamkeit erreicht und wurde sogar im Fernsehen übertragen und das alles für Red Bull als Werbung. Dieses so genannte Content Marketing macht RedBull so einzigartig. Sie zwingen dem Kunden nicht ihre Werbung auf, sondern der Kunde schaut sich seine Interessen an und im Hintergrund ist immer Red Bull zusehen.

Um das Content Marketing perfekt zu nutzen, hat Red Bull viele unterschiedliche Sportler unter Vertrag und fördert verschiedene Events.

So ist für viele internationale Topathleten das Marketingprojekt von Red Bull eine einzigartige Chance. Es bringt ihnen zum einen Geld und Aufmerksamkeit, aber auch Anerkennung. Besonders werden schon frühe junge Talente gefördert, wie z.B. Luc Ackermann, 21 und Freestyle-Motorcrosser, der bereits seit dem Alter von 16 Jahren von Red Bull unterstützt wird.

Aber auch Niklas Kaul. Er gewann überraschend den Zehnkampf bei der Leichtathletik WM -2019 in Katar. Schaut man auf sein Instagram Profil, erkennt man sogar in seiner „Bio“, dass er RedBull-Athlet ist. Red Bull ist es also auch zu verdanken, dass wir zukünftig eine neue Medaillenhoffnung für Deutschland haben. Ein ähnliches Beispiel ist auch bei Konstanze Klosterhalfen, die in Doha Bronze gewann und ebenfalls von Red Bull gesponsert wird.

Zu den genannten Athleten kommen noch sehr viele einzelne hinzu und es werden stetig mehr. Außerdem gehören bzw. sponsert Red Bull noch zahlreiche andere Sportarten. So stehen zahlreiche Eishockeyvereine, wie München, Fußballvereine, u.a. Leipzig, aber auch das Red Bull Racing Team in der Formel 1 in enger Verbindung zur Red Bull GmbH.

Besonders von Fußball soll Mateschitz kein Fan sein, doch er erkannte früh, dass man durch das Sponsoring von Fußball eine sehr große Bühne erreichen kann, und man so unter den Zuschauern bewusst noch mehr neue Kunden gewinnen kann, weil sie zeitgleich Fans von den jeweiligen Vereinen sind, die Red Bull unterstützt.

Es gibt bei dem Marketing von Red Bull also große Unterschiede und unterschiedliche Ansätze. Zwar wird Athleten geholfen, die stark auf Geld angewiesen sind, da ihre Sportarten größtenteils noch nicht so von Kommerz und hohen Gewinnen geprägt sind, doch es gibt auch die anderen Beispiele. Zum Beispiel beim Fußball, wo es genügend andere Möglichkeiten gibt, Vereine zu unterstützen, ohne diese zu übernehmen.

Doch  immer wieder ist die große Marketingmaschine Red Bull ein Problem, denn es kam zu Todesfällen, wenn die Extremsportler im Red Bull-Anzug von Dächern gesprungen sind, einen steilen Hang auf Skiern hinunterfuhren oder bei einem Red Bull-Event mit dem Motorrad verunglückten, wie es bei einem 14 -jährigen Topathleten geschehen ist, der bei Red Bull unter Vertrag stand.

Keine Frage, diese Unglücke hätten auch ohne Red Bull passieren können, doch sind sie besonders durch deren Marketing passiert. Der Spiegel schrieb zu der Frage, was die richtige Formulierung sei: „Dass sie [die Athleten] für Red Bull starben“. Auch die ARD wollte mit Hilfe einer Dokumentation klären, ob man Red Bull eine Mitschuld vorwerfen könne, es blieb jedoch nur bei dem Versuch.

So lässt sich weiter streiten, ob das Marketing von Red Bull positive oder negative Wirkungen hat.

Doch besonders die Todesfälle haben einen bitteren Geschmack bei all dem Sponsoring, das doch eigentlich positiv sein soll. Denn Red Bull strebt immer weiter nach neuen Bestwerten im Verkauf und dadurch auch im Gewinn. Um diese zu erreichen, wandert Red Bull mit dem Marketing auf einem schmalen Grat.

Die Strategie des Konzerns ist also teilweise Egoismus, unser Hauptthema in diesem Kaktus, denn es wird mit dem Leben anderer gespielt, um Aufmerksamkeit zu bekommen und noch mehr Dosen zu verkaufen. Beim Marketing geht es zwar immer darum, noch mehr von seinen Produkten zu verkaufen, doch bei keiner Marke ist das Marketing so gefährlich wie bei Red Bull. 

So lässt sich das Getränk Red Bull also nicht nur wegen seiner gesundheitlichen Risiken hinterfragen, sondern auch wegen des riskanten Marketings. Denn es vermittelt die nur positive Wirkung von Red Bull und die Normalität von waghalsigen Aktionen.  

Doch trotzdem ist Red Bull für die jeweiligen Sportler und Zuschauer eine Bereicherung, die ohne Red Bull nicht existieren könnten.

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Ausgabe 52 VOR ORT

Willkommen in Klein-Berlin, Willkommen in Halle (Saale)

Was kommt euch in den Kopf, wenn ihr an Halle an der Saale denkt? Nur irgendeine Stadt im langweiligen Sachsen-Anhalt? Nein, das stimmt nicht. Ein Ghetto mit mehr hässlichen Plattenbauten als Einwohner? Nun ja, in Teilen stimmt das. Der erste Eindruck von Halle hat uns wirklich getäuscht, denn im zweiten ist die Stadt umso schöner.

Unsere Reise nach Halle beginnt wie so oft am Vareler Bahnhof. Eine etwas mehr als fünfstündige Bahnfahrt steht vor uns, hohe Erwartungen haben wir nicht, dafür haben wir von Halle bisher zu wenig gehört. So sitzen wir also in der Bahn und die Stunden vergehen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen wir dann aber doch endlich am Hallenser Hauptbahnhof an und werden von Robert, einem Mitarbeiter der Stadt in unser Hostel gebracht. Auf die (im Nachhinein sehr peinliche) Frage, wer dieser Händel doch sei, mit dem die Stadt überall wirbt, ernten wir skeptische Blicke von Robert. Hat er die richtige Schülerzeitung abgeholt?

Dort angekommen erkunden wir unser Hostel, das, freundlich ausgedrückt, sehr spartanisch eingerichtet ist und Spuren von Sauberkeit aufweist.

Aufgrund der Verspätung der anderen Teilnehmer (der Kaktus ist immer stets pünktlich vor Ort) haben wir einen freien Aufenthalt von zwei Stunden, um die Stadt schon einmal allein zu erkunden. Leider waren wir nur noch nie in Halle und fangen an, planlos ins vermeintliche Stadtzentrum zu laufen. Wir betreten den nächsten Supermarkt, um ein paar Dinge fürs Wochenende zu kaufen, vor der Tür steht ein sichtlich betrunkener und verwirrter Mann, in nagelneuer Postjacke. Wir denken uns nicht viel dabei und kaufen ein. Beim Verlassen des Ladens scheint er verschwunden und wir laufen Richtung Fluss. Eine Straßenecke weiter sehen wir unseren alten Bekannten dann aber wieder, wie er sich an der, wie wir erkennen, Rückseite des Finanzamtes entleert. Schockiert von diesem Ereignis setzen wir uns auf eine Bank am Rande vom Mühlgraben, einem Ausläufer der Saale, jener Fluss, der die Stadt teilt. Ein Mann setzt sich zu uns und gibt zu verstehen, wir sollen sein Revier verlassen. Dann akzeptiert er uns dann aber doch, nur um im nächsten Moment seine gesamte (wahrlich traurige) Lebensgeschichte zu erzählen. Weiter geht unsere Tour, planlos laufen wir ausgerechnet Richtung Halle-Neustadt. Die Neustadt ist ein Werk sozialistischer Lebensideale wie sie im Buche stehen. Von weitem sehen wir riesige Blockbauten, ein Plattenbau ist hässlicher als der andere. Schnell kehren wir wieder um. Unser erster Eindruck ist keinesfalls positiv, wir überlegen sogar, wieder nach Hause zu fahren, entscheiden uns aber zu bleiben. Kein Fehler.

Endlich treffen wir die anderen Teilnehmer im Hostel, zwei Redakteurinnen einer Jahreszeitung (eine Zeitung, die alle Geschehnisse im Schuljahr zusammenfasst, quasi eine analoge LMG-Homepage) und zwei Redakteurinnen der Berliner Schülerzeitung „Flugblatt.“ Unser richtiges Programm beginnt mit einer Segway-Tour. Wir denken uns, man könne doch alle drei verschiedenen Typen des Plattenbaus in drei Minuten abhaken, was gibt es da schon zu sehen, doch schnell werden wir eines Besseren belehrt. Zu sehen bekommen wir vieles, es fängt an mit der Marktkirche am Hallmarkt, angeblich die einzige Kirche Europas mit vier Türmen. In der Nähe des Zentrums liegt die Universität Halle-Wittenberg und ihr Campus. Die Uni bietet über 250 Studiengänge an, viele mit dem Schwerpunkt Medien oder Wirtschaft. Den Campus umgibt eine neu angelegte Grünfläche mit Bäumen. Die multikulturellen Studenten aus den Universitäts-Flyern, die zusammen auf einer Wiese lernen, sahen wir aber seltsamerweise nicht. Könnte auch an der Uhrzeit gelegen haben.

Die Kästen, die am Gebäude angebracht wurden, sollten eins als Verbindung zwischen Alt- und Plattenbau dienen. Eine skurrile Idee.

Weiter fahren wir durch das Studentenviertel, das Paulusviertel. Viele Altbauhäuser stehen Reihe an Reihe, die meisten von ihnen sehen saniert aus. Ein Gebäude fällt dann doch auf. Es ist faszinierend heruntergekommen. Für eine Zeit lang gab es hier mal eine Kunstinstallation, die zeigen sollte, wie Altbau mit Elementen des Plattenbaus aussieht. Spoiler: Bestimmt nicht schön.

Nachdem wir die Innenstadt verlassen haben, bekommen wir nun endlich die Chance, unsere Segways an ihre Grenzen zu bringen und mit ihnen durch den sehr schönen Stadtpark zu rasen. Nach 20 km/h fängt der Segway aber leider schon an, seine Geschwindigkeit abzuriegeln. Ein Problem für die Segways sind auf jedenfalls hohe Bordsteinkannten, die z.B. einer der Berliner Redakteurinnen fast zum Verhängnis wurden. Wir bleiben stehen vor der angeblich höchsten Fontäne Europas in der angeblich grünsten Stadt Deutschlands und fahren vorbei an einer Brücke, die aussieht wie die Kaiser-Wilhelm-Brücke aus Wilhelmshaven im Kleinformat und fahren parallel zur Saale mit ihren vielzähligen Schleusen. Wirklich sehr schön und ruhig dort.

Unsere Fahrt geht wieder in Richtung Stadt durch die Café- und Kneipenmeile rund um die Ulrichstraße. Auf einer Hauswand sind viele, so sagt man uns, Wörter der Hallenser Mundart aufgemalt. Uns erscheint es eher wie eine  Zusammenstellung von Redewendungen aus allen Sprachregionen Deutschlands. Die Restaurants und Cafés heben sich aber deutlich von denen ab, die wir kannten, viele sind Start-Ups oder haben ein außergewöhnliches Geschäftskonzept. Unsere Segway-Tour endet dann aber wieder nach einer Stunde vor einem hässlichen Plattenbau, unsere Stimmung ist jedoch wieder besser und der schreckliche erste Eindruck nahezu komplett verflogen.

Danach gehen wir als ganze Gruppe essen in einer kleinen Pizzeria mit dem Namen „Rote Soße“. Der  Laden hat eine nette Einrichtung, aber komische Elektro-Musik, die wohl nicht mal im Mark4 so laut laufen würde. Die Pizza ist, dass müssen wir zugeben, einer der besten, die wir je gegessen haben. Vegane Pizzen sind übrigens auch im Angebot. Der Abend ist vorbei und wir laufen zurück ins Hostel.

Am nächsten Morgen machen wir uns dann auf die Suche nach den Handtüchern oder Menschen an der Rezeption. Niemand ist da. Angeblich soll es auch ein Frühstück geben, doch keiner kann uns sagen wo. Wir fangen an zu zweifel n, ob das Frühstück vielleicht nur eine Legende ist, die sich ausgedacht  jemand ausgedacht, um ahnungslose Touristen in das Hostel des Grauens zu locken. Nach einer halben Ewigkeit wird der ominöse Raum dann doch im Innenhof entdeckt und wir beschließen das bestehende und sogar unerwartet vielfältige Frühstück trotzdem mit unseren eigenen Komponenten vom Supermarkt um die Ecke zu erweitern.

Die Kammer des Schreckens vergessen wir dann aber auch wieder ganz schnell, denn unser Programm geht weiter. Wir besteigen die Türme der Marktkirche am Hallmarkt mit ihren nicht aufhörenwollenden Stufen. Früher hat oben in den  43 Meter hohen Türmen sogar der Küster mit  seiner Familie gewohnt.

Jetzt kommen wir zu unserem Highlight. Wir besuchen den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), dessen Radio-Programme aus Halle gesendet werden. Der Sender liegt mitten in der Innenstadt nett gelegen, am besagten Ausläufer der Saale. Das Sendegebäude erinnert vom Aussehen an ein Kreuzfahrtschiff, weshalb auch im MDR häufiger Anspielungen darauf gemacht werden. So wird die Führungsetage z.B. Kommandobrücke genat. Im Sender führt uns Rico herum. Er arbeitet seit über zehn Jahren als Außenreporter für MDR-Jump, vergleichbar mit NDR 2. Weitere Programme aus Halle sind MDR Kultur und MDR Sputnik (vergleichbar mit N-JOY). Von hier aus sendet der MDR in drei Bundesländer: Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die meisten Mitarbeiter sind nicht direkt beim MDR angestellt, sondern Freie Mitarbeiter, wie Rico übrigens auch. Er erzählt uns von seinem Werdegang. Vor mehreren Jahren war er mal Stadionsprecher von RB Leipzig, wofür er böse Blicke von Lennart erntet (Werder Bremen verlor ein Wochenende zuvor 0:3 im Weserstadion gegen Leipzig). Als erstes zeigt er uns die Räume der Online-Redaktion, die scheinbar größtenteils damit beschäftigt sind, die leeren Stellen auf der großen Bürowand mit Photoshop-Illustrationen zu verdecken. Zwischendurch, so sagt man uns, erstellen sie sogar Posts und Ratgeber für Instagram oder Facebook.

Leider ruft keiner :„Houston, wir haben ein Problem!“

Weiter geht es in den Newsroom, der alle aktuellen Geschehnisse auf mehreren riesigen Monitoren anzeigt und mehre wichtige Menschen wie in der Kommandozentrale der NASA drumherum sitzen. Leider ruft keiner :„Houston, wir haben ein Problem!“ Enttäuschend. Nachdem wir der Verkehrsüberwachung einen Besuch abgestattet haben, kommen wir endlich zum spannendsten Teil des Besuches. Wir schauen uns die Radiostudios an. Wir vom Kaktus haben ja schon einmal Radio ffn in Hannover besucht, aber der Sender und die Studios in Halle sind nochmal eine andere Größenordnung. Der Radiomoderator steht an einem großen Tisch (der coolerweise auch noch per Elektrik absenkbar ist) und moderiert die Sendung. Für die Nachrichten gibt er an das zweite Studio ab, das direkt vor ihm liegt und mit einer Scheibe verbunden ist. Nachrichtensprecher und Moderator können sich so beim Moderieren und Verlesen gegenseitig sehen. Das komplette Programm (inklusive Musiktiteln, Werbung und Moderation) wird schon eine Woche im Voraus geplant. So unspontan und durchgeplant hört es sich auch an, denken wir uns. Ein Grund, weshalb wir wenig Radio hören. Zum Schluss besuchen wir dann auf unseren Wunsch auch die Tiefgarage in der Hoffnung, den vermeintlichen Sportwagen des Intendanten zu sehen. Leider war er nicht da.

Auf dem Marktplatz findet das ganze Wochenende über das Salinefest statt. Die Stadt erinnert dabei an die alte Tradition des Salzabbaus in Halle mit einer Art Kirmes, auf der überwiegend Essensstände zu finden sind. Die Preise waren dabei ausgesprochen moderat, so wenig haben wir noch nie für Pommes oder einen Burger bezahlt. Auf einem Seil werden indes Stücke von Hochseiltänzern aufgeführt, die sich mit einem Stuhl auf das Seil setzen oder gleich mit Motorrädern das Seil heraufrasen.

Wochenmärkte haben in Halle übrigens ihren Namen nicht verdient, denn der Markt findet jeden Tag vor der Marktkirche statt.

Die Mitteldeutsche Zeitung in Halle an der Saale

„Der Wachmann guckt laut Dokumentationen über den zweiten Weltkrieg, auch sonst scheint nicht besonders viel los zu sein.“

Und so bricht unser letzter Tag in Halle an. Einziger Programmpunkt heute: Besuch der Mitteldeutschen Zeitung (MZ), eine regionale Tageszeitung, vergleichbar mit der NWZ. Wir sprechen mit einer Redakteurin über die Vergangenheit der Zeitung in der DDR und wie man heute versucht, die Printmedien in die aktuelle Zeit zu befördern. So betreibt die MZ einen eigenen Fernsehsender im Internet, mit dem man Nachrichten für die Region rund um Halle produzieren möchte. Die Zukunft der Regional-Zeitungen sieht wohl die Beschränkung auf ihr Vertriebsgebiet vor. Eigentlich gut so, denn im Überregionalen Teil findet sich meist kaum mehr als ein paar lieblos kopierte Artikel der dpa.

Mit diesen Eindrücken verlassen wir Halle und können nun unser Fazit ziehen. Der erste Eindruck war schnell verzogen, denn so ist diese Stadt nicht. Sie ist keineswegs langweilig oder trist, wie man es von Sachsen-Anhalt denkt. Wer gerne später studieren möchte, vor allem im Schwerpunkt Medien, der sollte sich Halle einmal anschauen. Viele Altbauten im Kern der Stadt prägen das Bild. Übrigens, die nächste Großstadt ist auch nicht weit entfernt. Zwischen Halle und Leipzig fährt man unter einer Stunde. Egal ob mit Bus oder Bahn.