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Ausgabe 52 SCHULE

„Hilfe, die Konfirmanden sind da!“

Schule bedeutet nicht nur Unterricht. Ab und zu ergibt sich auch die Möglichkeit, mal über den Tellerrand zu schauen. Das Management Information Game ist eine solche Möglichkeit. Ein Erfahrungsbericht von Steen.

Montags morgens, kurz vor acht. Ich stehe mit einigen Mitschülern vor dem Tor der Premium Aerotec GmbH in Varel. „Wo geht’s denn hier zur Konfirmation?“, fragt jemand, der gerade dazukommt. Seltsame Frage, allerdings mit Hintergrund. Denn: Wir haben uns alle schick gemacht. Anzüge, Blusen, Krawatten. Das ist unsere Interpretation von Geschäftskleidung. „Das Erscheinen in Geschäftskleidung ist erwünscht.“ So stand es in den Vorabinformationen. Später an diesem Morgen werden wir erfahren, dass wir völlig overdressed sind. Auch ist dieser Montagmorgen keineswegs ein normaler Schul-Montagmorgen. Wir, 17 Schüler des LMG aus dem elften und zwölften Jahrgang, nehmen in der kommenden Woche am MIG teil. Das steht für Management Information Game, auf deutsch Management-Informationsspiel. Herr Roberg und Frau Walther, die uns die Woche über begleiten werden, sind mittlerweile auch eingetroffen und wir gehen zusammen zur Wache am Eingangstor des Firmengeländes. Uns werden Besucherausweise ausgehändigt, damit wir überhaupt auf das Gelände gelangen. Der Ausbildungsleiter bei Premium Aerotec, Henning Fellensiek, empfängt uns und begleitet uns zu unseren Tagungsräumen. Diese werden für die kommende Woche zu unserem zweiten Zuhause. Nach einer kurzen Begrüßung durch Herrn Fellensiek und Andreas Mätzold, unseren Spielleiter , denken wir, kann es ja jetzt losgehen mit diesem Spiel. Genau genommen weiß eigentlich keiner von uns Schülern, was uns in der Woche erwartet. Die Informationen, die wir vorab zum Ablauf erhalten haben, ließen uns nur ungefähr vermuten, was auf uns zukommt. „MIG funktioniert nach dem Prinzip der Überforderung“, hat uns Herr Roberg vorher mitgeteilt. Diese aufmunternden Worte steigerten natürlich unsere Neugier, was genau denn jetzt bei MIG passiert. Allerdings folgt auf die Begrüßung der erste Informationsblock, eine nette Formulierung für Vortrag. Die gibt es zu verschiedenen Themen, über die Woche verteilt. Einige davon sind spannender, einige sind  weniger spannend.

Diese Vorträge werden jeweils von verschiedenen Mitarbeitern aus den beteiligten Unternehmen (also Premium Aerotec und Popken Fashion Group) gehalten. Die einzelnen Referenten erzählen uns immer etwas über ihren Beruf, wie sich ihr beruflicher Weg gestaltet hat und vermitteln uns etwas betriebswirtschaftliches Grundlagenwissen. Der erste Informationsblock handelt von Unternehmenszielen und Unternehmensorganisation.

Nach einer kurzen Pause folgt dann die lang ersehnte Erklärung, was genau wir bei dem Spiel eigentlich machen müssen. Andreas Mätzold verrät uns das Spielprinzp. Die Teilnehmer werden in drei Gruppen aufgeteilt. Die Gruppenmitglieder sind jeweils Führungspersonen in drei verschiedenen Unternehmen, jeder hat seinen eigenen Fachbereich. Zu den Fachbereichen zählen beispielsweise Personal oder Finanzen. Diese drei Unternehmen verkaufen jeweils die gleichen drei Produkte auf den gleichen vier Märkten, stehen also in Konkurrenz miteinander. Aufgabe des Spiels ist es, dass man als Team Entscheidungen fällt, die dazu führen, dass sich das Unternehmen wirtschaftlich verbessert. Im Grunde genommen kann man sagen, dass die Gruppen dafür sorgen müssen, dass ihr Unternehmen mehr Geld verdient. Das Treffen der Entscheidungen erfolgt jeweils in einzelnen Spielrunden. Als Grundlage erhält jedes Unternehmen einen Bericht über den Zustand ihres Unternehmens aus der vorangegangenen Spielrunde. Nun muss jedes Team an den einzelnen Stellschrauben, wie etwa Produktionsmengen, Preis oder Werbebudget, drehen, mit dem Ziel, etwas zum Positiven zu verändern. Diese Entscheidungen übertragen die einzelnen Teams in ein Computerprogramm, welches dann die Auswirkungen berechnet.

„Hier kam es darauf an, Missgeschicke und nicht ganz durchdachte Entscheidungen als kalkulierte Unternehmensstrategie zu verkaufen. “

Als „Spielanleitung“ haben wir im Vorhinein ein Handbuch bekommen, das uns aber ohne Erklärung begrenzt weitergeholfen hat. Nun verstehen wir so langsam die Ausmaße des Spiels und sind heiß darauf, die ersten Entscheidungen zu treffen. Vorher allerdings gibt es noch Mittagessen. Wir werden die Woche über mit ausgezeichnetem Essen aus der Kantine von Premium Aerotec versorgt. Nach dem Mittag werden noch ein paar Einzelheiten geklärt und es kann endlich losgehen. Jedes Team geht in einen eigenen Raum und beginnt zu diskutieren. Wie viel Personal soll man einstellen, braucht man neue Maschinen, wie viel Geld investiert man in Forschung und was sollen die Kunden am Ende für die Produkte zahlen? Mit diesen und vielen weiteren Fragen muss sich jedes Team auseinandersetzen. Nach einigen Stunden mehr oder weniger konzentriertem Arbeiten sind alle offenen Fragen geklärt und die Entscheidungen im Programm eingetragen. Erschöpft, aber auch stolz auf das Getane gehen wir gegen 18:30 nach Hause.

Dieser Stolz sollte aber schon am nächsten Tag wieder verfliegen. Nach einem weiteren Informationsblock erwartet uns die Besprechung der ersten Spielrunde. Herr Mätzhold erklärt uns, wie sich die Unternehmen entwickelt haben. Außerdem bespricht er mit uns, welche Entscheidungen wir getroffen haben und mit welchem Ziel. Ist es wirklich so sinnvoll, die Werbung für ein Produkt zu steigern, aber gleichzeitig weniger davon zu produzieren? Die Antwort lautet natürlich nein, das ist uns allen klar. Die Frage ist hingegen, wieso wir uns am Vortag dazu entschieden haben, genau das zu tun. Aber wie heißt es doch so schön: Aus Fehlern lernt man! Mit unserem neuen Wissen, was funktioniert und was nicht, stürzen wir uns in die nächste Spielrunde. Am zweiten Tag der Woche ist das Spiel allerdings nicht das Einzige, womit wir uns beschäftigen. Mittwochabend steht eine fiktive Verkaufspräsentation an. Wir sollen eines unserer Produkte vor einem Publikum vorstellen und erklären, warum die Kunden ausgerechnet unser Produkt und nicht das der anderen kaufen sollten. Deswegen reiht sich in Liste der Aufgaben noch die Entwicklung des Produkts, die Erstellung einer Präsentation samt PowerPoint und das Kreieren eines Flyers ein. Es gibt also reichlich zu tun.

Am Mittwoch arbeiten wir weiter an diesen Aufgaben, zusätzlich gibt es noch zwei Informationsblöcke, sowie die Auswertung der vorangegangenen Spielrunde und eine weitere Spielrunde. Abends ist dann der große Moment gekommen. Jedes Unternehmen präsentiert das jeweilige Produkt und die Gäste stimmen daraufhin ab, welches der drei sie am meisten überzeugt hat. Anschließend gibt es noch einen kleinen Imbiss und man kann sich miteinander und den Gästen unterhalten.

Nicht jedermanns Sache: Excel-Tabellen mit viel zu vielen Zahlen

Der Donnerstag sollte laut Planung eigentlich etwas stressfreier werden. Neben einem Vortrag zu Aktien und der Börse sind zwei Spielrunden geplant. Diese laufen diesmal allerdings nicht so ab wie gewohnt. Durch Eilmeldungen greift der Spielleiter ins Geschehen ein und bringt die gesamte Planung der Unternehmen durcheinander. Beispielsweise ist die Lieferung von Produkten zum amerikanischen Markt aufgrund von Terroranschlägen begrenzt. Für ein Unternehmen, welches sich ausgerechnet auf diesem Markt spezialisiert hat, kommt das natürlich etwas ungelegen. So muss die eigentliche, bereits abgeschlossene Planung nochmal von Grund auf geändert werden.

Am Freitag, dem fünften und letzten Tag der MIG-Woche, besprechen wir nochmals die Ergebnisse des Vortags und die allgemeine Strategie der Unternehmen. Anschließend erstellen wir eine weitere Präsentation mit unseren Unternehmenszahlen und Ergebnissen, die wir daraufhin möglichen Investoren vorstellen. Hier kommt es darauf an, Missgeschicke und nicht ganz durchdachte Entscheidungen als kalkulierte Unternehmensstrategie zu verkaufen.

Nach einer abschließenden Feedback-Runde endet dann diese ereignisreiche Woche und man fragt sich, was davon bleibt. Neben den lustigen Geschichten, die wir erlebt haben, und dem vielen Spaß, den wir trotz des Stresses hatten, kann ich die Frage damit beantworten, dass wir als Gruppe viele Erfahrungen gesammelt haben. Erfahrungen, die der Schulalltag sonst nicht hergibt. Wir haben gelernt, dass die Wirtschaft sehr komplex ist und dass es wichtig ist, im Team zu arbeiten. Wir haben selbst erfahren, dass man beim Treffen von Entscheidungen immer abwägen muss, aber auch, dass man am Ende dafür die Verantwortung tragen muss – auch wenns mal nicht so läuft, wie gedacht. Ich kann jedem nur empfehlen, ebenfalls bei MIG teilzunehmen, auch wenn sich dabei herausstellt, dass die Karriere in der Wirtschaft nichts für einen ist.

Viele Dank an die Popken Fashion Group, Premium-Aerotec sowie Frau Walther und Herrn Roberg, dass sie diese Erfahrung möglich gemacht haben.


„Nicht nur für Möchtegern-
Kapitalisten hilfreich“

von Lennart

Es war eine anstrengende Woche. Fünf Tage lang verbrachten wir fast den kompletten Tag in einem mal mehr, mal weniger großen Konferenzraum.

Ich hatte mich eigentlich angemeldet, um den schulischen Pflichten für etwa eine Woche zu entkommen und mal etwas anderes kennen zu lernen. Doch da hatte ich mich, wie einige andere auch zu früh gefreut. Dieses Spiel ist aufs Scheitern ausgelegt, um seine Teilnehmer maximal zu fordern. Und das gelingt ihm recht gut. Sofort wird man ins Geschehen geworfen und muss den virtuellen Konzern aus der Patsche helfen. Verkaufen tut dieser Kopfhörer, Zahnbürsten und Wandkalender. Dabei wirft das Spiel mit Begriffen um sich, von denen der Normalsterbliche nur selten etwas zu hören bekommt. Innerhalb kürzester Zeit muss man diese draufhaben und mit ihnen umgehen können, um die Konkurrenz zu schlagen.
Beim Spielen fällt auch auf, dass hinter dem Spiel das „Bildungswerk Niedersächsischer Wirtschaft“ steht, ein Synonym für Arbeitgeberverbände als Gesellschafter.

Jeder der schon immer wollte, kann hier den „inneren Justus“ so richtig rauslassen. Mitarbeiter sind in diesem Spiel nur ein paar Zahlen, an denen scheinbar kaum Existenzen hängen. Also schnell mal die Sozialleistungen für die Mitarbeiter senken und die Hälfte der Belegschaft nach Hause schicken. Für ein bisschen mehr Profit, macht man ja bekanntlich vieles.

Ich für mich, habe durch dieses Spiel gelernt, dass die Arbeit als Führungskraft wohl eher weniger etwas für mich ist. Doch diese Erkenntnis schätze ich, denn auch ich hatte meinen Spaß an diesem Spiel, auch wenn ich es vielleicht nicht ganz so ernst genommen habe, wie andere.

Auch hoffe ich, dass die Arbeitnehmer in der Realität für die Führungskräfte mehr als nur ein paar Zahlen sind.