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Ausgabe 54 PANORAMA

Neobiota

Früher wurden Gebiete durch Ozeane oder große Gebirgsketten voneinander getrennt. Heute dagegen fahren Containerschiffe in wenigen Wochen über den Pazifik und Flugzeuge umfliegen in wenigen Stunden die Alpen.

Der interkontinentale Handel ist so fortgeschritten wie nie, und jährlich kommen allein in Hamburg rund 8.700 Schiffe mit bis zu 19.000 Containern an. Doch unter den zahlreichen importierten Waren befindet sich nicht nur das, was eingepackt werden sollte:  Auch Neobiota finden zwischen Motorblöcken oder Containern ihren Platz. Doch was sind eigentlich Neobiota?

Neobiota sind zunächst nichts anderes als Tiere, die irgendwo leben,, wo sie eigentlich nicht zuhause sind. Es gibt drei verschiedene Arten von Neobiota: Neophyten, Neozoen und Neomyceten. Neophyten sind Pflanzen, Neozoen sind Tiere, und bei Neomyceten geht es um Pilze. Diese werden jedoch meistens zu den Neophyten gezählt.

Der Name kommt aus dem griechischen. „Néos“ bedeutet dort „neu“ und „bíos“ „leben“. Neophyten bedeutet also nichts Anderes als „Neupflanze“. Doch wie kommt eine Pflanze in einen neuen Lebensraum? Und hier sind wir wieder beim Anfang: Durch den globalen Handel! In den Ballasttanks von großen Schiffen werden zum Beispiel Plankton und sogar Fische aus Versehen mitgebracht.  Die Samen von ein paar auf einem anderen Kontinent einheimische Pflanzen werden zusätzlich in den ein oder anderen Container geweht, und im Maschinenraum des Schiffes versteckt sich ein Nagetier.

Wenn die Neobiota dann ankommen, gibt es für sie nur zwei Möglichkeiten: Entweder können sie unter den Lebensbedingungen des neuen Ortes überleben oder eben nicht. Dass die Bedingungen passend sind, passiert nur in 10 Prozent der Fälle!  Ein Neobiot bzw. dessen Art gilt als etabliert, wenn sie mindestens 25 Jahre oder drei Generationen in einem Gebiet beständig auftreten. Um dies zu erreichen, nutzen die Neobiota verschiedene Taktiken. Eine davon ist die r-Strategie, das heißt, dass sie sich besonders schnell vermehren und besonders früh geschlechtsreif sind. 

Wenn eine Neobiota-Art sich etabliert, kann es entweder sein, dass sie sich friedlich an das Ökosystem des neuen Heimatlandes anpasst, oder dass sie zu einem echten Problem für die ursprünglich dort beheimateten Arten, der Wirtschaft oder einfach den Menschen wird. Dies passiert aber nur in 10 Prozent aller Fälle. In einem solchen Fall wird die Neobiota-Art als invasiv bezeichnet. Die negativen Auswirkungen können von der Ausrottung ursprünglich beheimateter Arten über eine neue Polle, auf die viele allergisch reagieren, bis hin zu Deichbrüchen oder Straßenschäden reichen. Auch die Landwirtschaft leidet unter der Vernichtung der Ernte.Für Inselstaaten ist die Schädigung des Ökosystems besonders schlimm, da die einheimischen Tiere in einem geschlossenen System leben und noch nie mit Neobiota fertigwerden mussten. Auf Hawaii zum Beispiel sind zwei Drittel der dort lebenden Arten Neobiota und 10 Prozent der ursprünglich beheimateten Tiere ausgestorben.

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