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Ausgabe 53 Länder TITELTHEMA

Portugal: Mehr als CR7

Das heutige Portugal spielt auf der internationalen Bühne eine eher geringe Rolle. Auch in der europäischen Union steht das Land eher im Schatten der größeren Mitglieder wie Frankreich oder Deutschland. Aber das war nicht immer so. Im Zeitraum vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, dem sogenannten Zeitalter der Entdeckungen, war Portugal eine führende europäische Handels- und Seemacht. Wie kam es dazu?

Ende des 14. Jahrhunderts starb in Portugal die bis zu dem Zeitpunkt herrschende Königsdynastie aus und der nichteheliche Sohn Johann von Avis rief sich zum König aus und gründete damit die neue Königsfamilie, das Haus Avis. Unter der Herrschaft der Avis-Könige setzten portugiesische Seefahrer immer mehr auf Erkundungsfahrten per Schiff, vor allem entlang der Westküste Afrikas. Initiator vieler dieser Erkundungsfahrten war der Sohn des damaligen Königs Johann, der heute unter dem Namen Heinrich der Seefahrer bekannt ist. Ein weiterer wichtiger Vertreter der portugiesischen Entdecker ist Vasco da Gama. Dieser gilt als Entdecker des Seewegs um das Kap der Guten Hoffnung nach Indien. Die Entdeckung dieser Route ermöglichte es den Portugiesen, mit den bisher auf dem Seeweg noch unerreichten asiatischen Staaten Handel zu treiben. Der Seehandel brachte großen Reichtum in das kleine Land in Westeuropa. Auch kulturell hatte Portugal in dieser Zeit einiges zu bieten. Im 16. Jahrhundert schuf der Dichter Luís de Camões verschiedene Werke, die noch heute als die bedeutendsten Werke der portugiesischen Literatur angesehen werden. Luís de Camões gilt als Nationalheld und sein Todestag, der 10 Juni, wurde zum Nationalfeiertag gewählt.

Diese Blütezeit Portugals nahm ab, als Ende des 16. Jahrhunderts das Königshaus der Avis ausstarb und Portugal teilweise unter spanische Herrschaft geriet. Dieser Verlust der politischen Unabhängigkeit und diverse Kriege im 17. Jahrhundert sorgten dafür, dass Portugal seinen internationalen Einfluss verlor. Den Schlussstrich unter dieses Kapitel der portugiesischen Geschichte setze dann das Erdbeben von 1755, welches Lissabon, die Hauptstadt Portugals, verheerend zerstörte.

Die Portugiesen erinnern heute mit dem Denkmal der Entdeckungen an diese Zeit. Das Steinmonument mit Aussichtsplattform steht am Ufer des Flusses Tejo in Lissabon und zeigt 33 wichtige Persönlichkeiten aus dem Spätmittelalter. Unter ihnen befinden sich auch Heinrich der Seefahrer, Vasco da Gama und Luís de Camões.

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Ausgabe 52 PANORAMA

ABROAD

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Ausgabe 52 SCHULE

„Hilfe, die Konfirmanden sind da!“

Schule bedeutet nicht nur Unterricht. Ab und zu ergibt sich auch die Möglichkeit, mal über den Tellerrand zu schauen. Das Management Information Game ist eine solche Möglichkeit. Ein Erfahrungsbericht von Steen.

Montags morgens, kurz vor acht. Ich stehe mit einigen Mitschülern vor dem Tor der Premium Aerotec GmbH in Varel. „Wo geht’s denn hier zur Konfirmation?“, fragt jemand, der gerade dazukommt. Seltsame Frage, allerdings mit Hintergrund. Denn: Wir haben uns alle schick gemacht. Anzüge, Blusen, Krawatten. Das ist unsere Interpretation von Geschäftskleidung. „Das Erscheinen in Geschäftskleidung ist erwünscht.“ So stand es in den Vorabinformationen. Später an diesem Morgen werden wir erfahren, dass wir völlig overdressed sind. Auch ist dieser Montagmorgen keineswegs ein normaler Schul-Montagmorgen. Wir, 17 Schüler des LMG aus dem elften und zwölften Jahrgang, nehmen in der kommenden Woche am MIG teil. Das steht für Management Information Game, auf deutsch Management-Informationsspiel. Herr Roberg und Frau Walther, die uns die Woche über begleiten werden, sind mittlerweile auch eingetroffen und wir gehen zusammen zur Wache am Eingangstor des Firmengeländes. Uns werden Besucherausweise ausgehändigt, damit wir überhaupt auf das Gelände gelangen. Der Ausbildungsleiter bei Premium Aerotec, Henning Fellensiek, empfängt uns und begleitet uns zu unseren Tagungsräumen. Diese werden für die kommende Woche zu unserem zweiten Zuhause. Nach einer kurzen Begrüßung durch Herrn Fellensiek und Andreas Mätzold, unseren Spielleiter , denken wir, kann es ja jetzt losgehen mit diesem Spiel. Genau genommen weiß eigentlich keiner von uns Schülern, was uns in der Woche erwartet. Die Informationen, die wir vorab zum Ablauf erhalten haben, ließen uns nur ungefähr vermuten, was auf uns zukommt. „MIG funktioniert nach dem Prinzip der Überforderung“, hat uns Herr Roberg vorher mitgeteilt. Diese aufmunternden Worte steigerten natürlich unsere Neugier, was genau denn jetzt bei MIG passiert. Allerdings folgt auf die Begrüßung der erste Informationsblock, eine nette Formulierung für Vortrag. Die gibt es zu verschiedenen Themen, über die Woche verteilt. Einige davon sind spannender, einige sind  weniger spannend.

Diese Vorträge werden jeweils von verschiedenen Mitarbeitern aus den beteiligten Unternehmen (also Premium Aerotec und Popken Fashion Group) gehalten. Die einzelnen Referenten erzählen uns immer etwas über ihren Beruf, wie sich ihr beruflicher Weg gestaltet hat und vermitteln uns etwas betriebswirtschaftliches Grundlagenwissen. Der erste Informationsblock handelt von Unternehmenszielen und Unternehmensorganisation.

Nach einer kurzen Pause folgt dann die lang ersehnte Erklärung, was genau wir bei dem Spiel eigentlich machen müssen. Andreas Mätzold verrät uns das Spielprinzp. Die Teilnehmer werden in drei Gruppen aufgeteilt. Die Gruppenmitglieder sind jeweils Führungspersonen in drei verschiedenen Unternehmen, jeder hat seinen eigenen Fachbereich. Zu den Fachbereichen zählen beispielsweise Personal oder Finanzen. Diese drei Unternehmen verkaufen jeweils die gleichen drei Produkte auf den gleichen vier Märkten, stehen also in Konkurrenz miteinander. Aufgabe des Spiels ist es, dass man als Team Entscheidungen fällt, die dazu führen, dass sich das Unternehmen wirtschaftlich verbessert. Im Grunde genommen kann man sagen, dass die Gruppen dafür sorgen müssen, dass ihr Unternehmen mehr Geld verdient. Das Treffen der Entscheidungen erfolgt jeweils in einzelnen Spielrunden. Als Grundlage erhält jedes Unternehmen einen Bericht über den Zustand ihres Unternehmens aus der vorangegangenen Spielrunde. Nun muss jedes Team an den einzelnen Stellschrauben, wie etwa Produktionsmengen, Preis oder Werbebudget, drehen, mit dem Ziel, etwas zum Positiven zu verändern. Diese Entscheidungen übertragen die einzelnen Teams in ein Computerprogramm, welches dann die Auswirkungen berechnet.

„Hier kam es darauf an, Missgeschicke und nicht ganz durchdachte Entscheidungen als kalkulierte Unternehmensstrategie zu verkaufen. “

Als „Spielanleitung“ haben wir im Vorhinein ein Handbuch bekommen, das uns aber ohne Erklärung begrenzt weitergeholfen hat. Nun verstehen wir so langsam die Ausmaße des Spiels und sind heiß darauf, die ersten Entscheidungen zu treffen. Vorher allerdings gibt es noch Mittagessen. Wir werden die Woche über mit ausgezeichnetem Essen aus der Kantine von Premium Aerotec versorgt. Nach dem Mittag werden noch ein paar Einzelheiten geklärt und es kann endlich losgehen. Jedes Team geht in einen eigenen Raum und beginnt zu diskutieren. Wie viel Personal soll man einstellen, braucht man neue Maschinen, wie viel Geld investiert man in Forschung und was sollen die Kunden am Ende für die Produkte zahlen? Mit diesen und vielen weiteren Fragen muss sich jedes Team auseinandersetzen. Nach einigen Stunden mehr oder weniger konzentriertem Arbeiten sind alle offenen Fragen geklärt und die Entscheidungen im Programm eingetragen. Erschöpft, aber auch stolz auf das Getane gehen wir gegen 18:30 nach Hause.

Dieser Stolz sollte aber schon am nächsten Tag wieder verfliegen. Nach einem weiteren Informationsblock erwartet uns die Besprechung der ersten Spielrunde. Herr Mätzhold erklärt uns, wie sich die Unternehmen entwickelt haben. Außerdem bespricht er mit uns, welche Entscheidungen wir getroffen haben und mit welchem Ziel. Ist es wirklich so sinnvoll, die Werbung für ein Produkt zu steigern, aber gleichzeitig weniger davon zu produzieren? Die Antwort lautet natürlich nein, das ist uns allen klar. Die Frage ist hingegen, wieso wir uns am Vortag dazu entschieden haben, genau das zu tun. Aber wie heißt es doch so schön: Aus Fehlern lernt man! Mit unserem neuen Wissen, was funktioniert und was nicht, stürzen wir uns in die nächste Spielrunde. Am zweiten Tag der Woche ist das Spiel allerdings nicht das Einzige, womit wir uns beschäftigen. Mittwochabend steht eine fiktive Verkaufspräsentation an. Wir sollen eines unserer Produkte vor einem Publikum vorstellen und erklären, warum die Kunden ausgerechnet unser Produkt und nicht das der anderen kaufen sollten. Deswegen reiht sich in Liste der Aufgaben noch die Entwicklung des Produkts, die Erstellung einer Präsentation samt PowerPoint und das Kreieren eines Flyers ein. Es gibt also reichlich zu tun.

Am Mittwoch arbeiten wir weiter an diesen Aufgaben, zusätzlich gibt es noch zwei Informationsblöcke, sowie die Auswertung der vorangegangenen Spielrunde und eine weitere Spielrunde. Abends ist dann der große Moment gekommen. Jedes Unternehmen präsentiert das jeweilige Produkt und die Gäste stimmen daraufhin ab, welches der drei sie am meisten überzeugt hat. Anschließend gibt es noch einen kleinen Imbiss und man kann sich miteinander und den Gästen unterhalten.

Nicht jedermanns Sache: Excel-Tabellen mit viel zu vielen Zahlen

Der Donnerstag sollte laut Planung eigentlich etwas stressfreier werden. Neben einem Vortrag zu Aktien und der Börse sind zwei Spielrunden geplant. Diese laufen diesmal allerdings nicht so ab wie gewohnt. Durch Eilmeldungen greift der Spielleiter ins Geschehen ein und bringt die gesamte Planung der Unternehmen durcheinander. Beispielsweise ist die Lieferung von Produkten zum amerikanischen Markt aufgrund von Terroranschlägen begrenzt. Für ein Unternehmen, welches sich ausgerechnet auf diesem Markt spezialisiert hat, kommt das natürlich etwas ungelegen. So muss die eigentliche, bereits abgeschlossene Planung nochmal von Grund auf geändert werden.

Am Freitag, dem fünften und letzten Tag der MIG-Woche, besprechen wir nochmals die Ergebnisse des Vortags und die allgemeine Strategie der Unternehmen. Anschließend erstellen wir eine weitere Präsentation mit unseren Unternehmenszahlen und Ergebnissen, die wir daraufhin möglichen Investoren vorstellen. Hier kommt es darauf an, Missgeschicke und nicht ganz durchdachte Entscheidungen als kalkulierte Unternehmensstrategie zu verkaufen.

Nach einer abschließenden Feedback-Runde endet dann diese ereignisreiche Woche und man fragt sich, was davon bleibt. Neben den lustigen Geschichten, die wir erlebt haben, und dem vielen Spaß, den wir trotz des Stresses hatten, kann ich die Frage damit beantworten, dass wir als Gruppe viele Erfahrungen gesammelt haben. Erfahrungen, die der Schulalltag sonst nicht hergibt. Wir haben gelernt, dass die Wirtschaft sehr komplex ist und dass es wichtig ist, im Team zu arbeiten. Wir haben selbst erfahren, dass man beim Treffen von Entscheidungen immer abwägen muss, aber auch, dass man am Ende dafür die Verantwortung tragen muss – auch wenns mal nicht so läuft, wie gedacht. Ich kann jedem nur empfehlen, ebenfalls bei MIG teilzunehmen, auch wenn sich dabei herausstellt, dass die Karriere in der Wirtschaft nichts für einen ist.

Viele Dank an die Popken Fashion Group, Premium-Aerotec sowie Frau Walther und Herrn Roberg, dass sie diese Erfahrung möglich gemacht haben.


„Nicht nur für Möchtegern-
Kapitalisten hilfreich“

von Lennart

Es war eine anstrengende Woche. Fünf Tage lang verbrachten wir fast den kompletten Tag in einem mal mehr, mal weniger großen Konferenzraum.

Ich hatte mich eigentlich angemeldet, um den schulischen Pflichten für etwa eine Woche zu entkommen und mal etwas anderes kennen zu lernen. Doch da hatte ich mich, wie einige andere auch zu früh gefreut. Dieses Spiel ist aufs Scheitern ausgelegt, um seine Teilnehmer maximal zu fordern. Und das gelingt ihm recht gut. Sofort wird man ins Geschehen geworfen und muss den virtuellen Konzern aus der Patsche helfen. Verkaufen tut dieser Kopfhörer, Zahnbürsten und Wandkalender. Dabei wirft das Spiel mit Begriffen um sich, von denen der Normalsterbliche nur selten etwas zu hören bekommt. Innerhalb kürzester Zeit muss man diese draufhaben und mit ihnen umgehen können, um die Konkurrenz zu schlagen.
Beim Spielen fällt auch auf, dass hinter dem Spiel das „Bildungswerk Niedersächsischer Wirtschaft“ steht, ein Synonym für Arbeitgeberverbände als Gesellschafter.

Jeder der schon immer wollte, kann hier den „inneren Justus“ so richtig rauslassen. Mitarbeiter sind in diesem Spiel nur ein paar Zahlen, an denen scheinbar kaum Existenzen hängen. Also schnell mal die Sozialleistungen für die Mitarbeiter senken und die Hälfte der Belegschaft nach Hause schicken. Für ein bisschen mehr Profit, macht man ja bekanntlich vieles.

Ich für mich, habe durch dieses Spiel gelernt, dass die Arbeit als Führungskraft wohl eher weniger etwas für mich ist. Doch diese Erkenntnis schätze ich, denn auch ich hatte meinen Spaß an diesem Spiel, auch wenn ich es vielleicht nicht ganz so ernst genommen habe, wie andere.

Auch hoffe ich, dass die Arbeitnehmer in der Realität für die Führungskräfte mehr als nur ein paar Zahlen sind.

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Ausgabe 52 VOR ORT

Willkommen in Klein-Berlin, Willkommen in Halle (Saale)

Was kommt euch in den Kopf, wenn ihr an Halle an der Saale denkt? Nur irgendeine Stadt im langweiligen Sachsen-Anhalt? Nein, das stimmt nicht. Ein Ghetto mit mehr hässlichen Plattenbauten als Einwohner? Nun ja, in Teilen stimmt das. Der erste Eindruck von Halle hat uns wirklich getäuscht, denn im zweiten ist die Stadt umso schöner.

Unsere Reise nach Halle beginnt wie so oft am Vareler Bahnhof. Eine etwas mehr als fünfstündige Bahnfahrt steht vor uns, hohe Erwartungen haben wir nicht, dafür haben wir von Halle bisher zu wenig gehört. So sitzen wir also in der Bahn und die Stunden vergehen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen wir dann aber doch endlich am Hallenser Hauptbahnhof an und werden von Robert, einem Mitarbeiter der Stadt in unser Hostel gebracht. Auf die (im Nachhinein sehr peinliche) Frage, wer dieser Händel doch sei, mit dem die Stadt überall wirbt, ernten wir skeptische Blicke von Robert. Hat er die richtige Schülerzeitung abgeholt?

Dort angekommen erkunden wir unser Hostel, das, freundlich ausgedrückt, sehr spartanisch eingerichtet ist und Spuren von Sauberkeit aufweist.

Aufgrund der Verspätung der anderen Teilnehmer (der Kaktus ist immer stets pünktlich vor Ort) haben wir einen freien Aufenthalt von zwei Stunden, um die Stadt schon einmal allein zu erkunden. Leider waren wir nur noch nie in Halle und fangen an, planlos ins vermeintliche Stadtzentrum zu laufen. Wir betreten den nächsten Supermarkt, um ein paar Dinge fürs Wochenende zu kaufen, vor der Tür steht ein sichtlich betrunkener und verwirrter Mann, in nagelneuer Postjacke. Wir denken uns nicht viel dabei und kaufen ein. Beim Verlassen des Ladens scheint er verschwunden und wir laufen Richtung Fluss. Eine Straßenecke weiter sehen wir unseren alten Bekannten dann aber wieder, wie er sich an der, wie wir erkennen, Rückseite des Finanzamtes entleert. Schockiert von diesem Ereignis setzen wir uns auf eine Bank am Rande vom Mühlgraben, einem Ausläufer der Saale, jener Fluss, der die Stadt teilt. Ein Mann setzt sich zu uns und gibt zu verstehen, wir sollen sein Revier verlassen. Dann akzeptiert er uns dann aber doch, nur um im nächsten Moment seine gesamte (wahrlich traurige) Lebensgeschichte zu erzählen. Weiter geht unsere Tour, planlos laufen wir ausgerechnet Richtung Halle-Neustadt. Die Neustadt ist ein Werk sozialistischer Lebensideale wie sie im Buche stehen. Von weitem sehen wir riesige Blockbauten, ein Plattenbau ist hässlicher als der andere. Schnell kehren wir wieder um. Unser erster Eindruck ist keinesfalls positiv, wir überlegen sogar, wieder nach Hause zu fahren, entscheiden uns aber zu bleiben. Kein Fehler.

Endlich treffen wir die anderen Teilnehmer im Hostel, zwei Redakteurinnen einer Jahreszeitung (eine Zeitung, die alle Geschehnisse im Schuljahr zusammenfasst, quasi eine analoge LMG-Homepage) und zwei Redakteurinnen der Berliner Schülerzeitung „Flugblatt.“ Unser richtiges Programm beginnt mit einer Segway-Tour. Wir denken uns, man könne doch alle drei verschiedenen Typen des Plattenbaus in drei Minuten abhaken, was gibt es da schon zu sehen, doch schnell werden wir eines Besseren belehrt. Zu sehen bekommen wir vieles, es fängt an mit der Marktkirche am Hallmarkt, angeblich die einzige Kirche Europas mit vier Türmen. In der Nähe des Zentrums liegt die Universität Halle-Wittenberg und ihr Campus. Die Uni bietet über 250 Studiengänge an, viele mit dem Schwerpunkt Medien oder Wirtschaft. Den Campus umgibt eine neu angelegte Grünfläche mit Bäumen. Die multikulturellen Studenten aus den Universitäts-Flyern, die zusammen auf einer Wiese lernen, sahen wir aber seltsamerweise nicht. Könnte auch an der Uhrzeit gelegen haben.

Die Kästen, die am Gebäude angebracht wurden, sollten eins als Verbindung zwischen Alt- und Plattenbau dienen. Eine skurrile Idee.

Weiter fahren wir durch das Studentenviertel, das Paulusviertel. Viele Altbauhäuser stehen Reihe an Reihe, die meisten von ihnen sehen saniert aus. Ein Gebäude fällt dann doch auf. Es ist faszinierend heruntergekommen. Für eine Zeit lang gab es hier mal eine Kunstinstallation, die zeigen sollte, wie Altbau mit Elementen des Plattenbaus aussieht. Spoiler: Bestimmt nicht schön.

Nachdem wir die Innenstadt verlassen haben, bekommen wir nun endlich die Chance, unsere Segways an ihre Grenzen zu bringen und mit ihnen durch den sehr schönen Stadtpark zu rasen. Nach 20 km/h fängt der Segway aber leider schon an, seine Geschwindigkeit abzuriegeln. Ein Problem für die Segways sind auf jedenfalls hohe Bordsteinkannten, die z.B. einer der Berliner Redakteurinnen fast zum Verhängnis wurden. Wir bleiben stehen vor der angeblich höchsten Fontäne Europas in der angeblich grünsten Stadt Deutschlands und fahren vorbei an einer Brücke, die aussieht wie die Kaiser-Wilhelm-Brücke aus Wilhelmshaven im Kleinformat und fahren parallel zur Saale mit ihren vielzähligen Schleusen. Wirklich sehr schön und ruhig dort.

Unsere Fahrt geht wieder in Richtung Stadt durch die Café- und Kneipenmeile rund um die Ulrichstraße. Auf einer Hauswand sind viele, so sagt man uns, Wörter der Hallenser Mundart aufgemalt. Uns erscheint es eher wie eine  Zusammenstellung von Redewendungen aus allen Sprachregionen Deutschlands. Die Restaurants und Cafés heben sich aber deutlich von denen ab, die wir kannten, viele sind Start-Ups oder haben ein außergewöhnliches Geschäftskonzept. Unsere Segway-Tour endet dann aber wieder nach einer Stunde vor einem hässlichen Plattenbau, unsere Stimmung ist jedoch wieder besser und der schreckliche erste Eindruck nahezu komplett verflogen.

Danach gehen wir als ganze Gruppe essen in einer kleinen Pizzeria mit dem Namen „Rote Soße“. Der  Laden hat eine nette Einrichtung, aber komische Elektro-Musik, die wohl nicht mal im Mark4 so laut laufen würde. Die Pizza ist, dass müssen wir zugeben, einer der besten, die wir je gegessen haben. Vegane Pizzen sind übrigens auch im Angebot. Der Abend ist vorbei und wir laufen zurück ins Hostel.

Am nächsten Morgen machen wir uns dann auf die Suche nach den Handtüchern oder Menschen an der Rezeption. Niemand ist da. Angeblich soll es auch ein Frühstück geben, doch keiner kann uns sagen wo. Wir fangen an zu zweifel n, ob das Frühstück vielleicht nur eine Legende ist, die sich ausgedacht  jemand ausgedacht, um ahnungslose Touristen in das Hostel des Grauens zu locken. Nach einer halben Ewigkeit wird der ominöse Raum dann doch im Innenhof entdeckt und wir beschließen das bestehende und sogar unerwartet vielfältige Frühstück trotzdem mit unseren eigenen Komponenten vom Supermarkt um die Ecke zu erweitern.

Die Kammer des Schreckens vergessen wir dann aber auch wieder ganz schnell, denn unser Programm geht weiter. Wir besteigen die Türme der Marktkirche am Hallmarkt mit ihren nicht aufhörenwollenden Stufen. Früher hat oben in den  43 Meter hohen Türmen sogar der Küster mit  seiner Familie gewohnt.

Jetzt kommen wir zu unserem Highlight. Wir besuchen den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), dessen Radio-Programme aus Halle gesendet werden. Der Sender liegt mitten in der Innenstadt nett gelegen, am besagten Ausläufer der Saale. Das Sendegebäude erinnert vom Aussehen an ein Kreuzfahrtschiff, weshalb auch im MDR häufiger Anspielungen darauf gemacht werden. So wird die Führungsetage z.B. Kommandobrücke genat. Im Sender führt uns Rico herum. Er arbeitet seit über zehn Jahren als Außenreporter für MDR-Jump, vergleichbar mit NDR 2. Weitere Programme aus Halle sind MDR Kultur und MDR Sputnik (vergleichbar mit N-JOY). Von hier aus sendet der MDR in drei Bundesländer: Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die meisten Mitarbeiter sind nicht direkt beim MDR angestellt, sondern Freie Mitarbeiter, wie Rico übrigens auch. Er erzählt uns von seinem Werdegang. Vor mehreren Jahren war er mal Stadionsprecher von RB Leipzig, wofür er böse Blicke von Lennart erntet (Werder Bremen verlor ein Wochenende zuvor 0:3 im Weserstadion gegen Leipzig). Als erstes zeigt er uns die Räume der Online-Redaktion, die scheinbar größtenteils damit beschäftigt sind, die leeren Stellen auf der großen Bürowand mit Photoshop-Illustrationen zu verdecken. Zwischendurch, so sagt man uns, erstellen sie sogar Posts und Ratgeber für Instagram oder Facebook.

Leider ruft keiner :„Houston, wir haben ein Problem!“

Weiter geht es in den Newsroom, der alle aktuellen Geschehnisse auf mehreren riesigen Monitoren anzeigt und mehre wichtige Menschen wie in der Kommandozentrale der NASA drumherum sitzen. Leider ruft keiner :„Houston, wir haben ein Problem!“ Enttäuschend. Nachdem wir der Verkehrsüberwachung einen Besuch abgestattet haben, kommen wir endlich zum spannendsten Teil des Besuches. Wir schauen uns die Radiostudios an. Wir vom Kaktus haben ja schon einmal Radio ffn in Hannover besucht, aber der Sender und die Studios in Halle sind nochmal eine andere Größenordnung. Der Radiomoderator steht an einem großen Tisch (der coolerweise auch noch per Elektrik absenkbar ist) und moderiert die Sendung. Für die Nachrichten gibt er an das zweite Studio ab, das direkt vor ihm liegt und mit einer Scheibe verbunden ist. Nachrichtensprecher und Moderator können sich so beim Moderieren und Verlesen gegenseitig sehen. Das komplette Programm (inklusive Musiktiteln, Werbung und Moderation) wird schon eine Woche im Voraus geplant. So unspontan und durchgeplant hört es sich auch an, denken wir uns. Ein Grund, weshalb wir wenig Radio hören. Zum Schluss besuchen wir dann auf unseren Wunsch auch die Tiefgarage in der Hoffnung, den vermeintlichen Sportwagen des Intendanten zu sehen. Leider war er nicht da.

Auf dem Marktplatz findet das ganze Wochenende über das Salinefest statt. Die Stadt erinnert dabei an die alte Tradition des Salzabbaus in Halle mit einer Art Kirmes, auf der überwiegend Essensstände zu finden sind. Die Preise waren dabei ausgesprochen moderat, so wenig haben wir noch nie für Pommes oder einen Burger bezahlt. Auf einem Seil werden indes Stücke von Hochseiltänzern aufgeführt, die sich mit einem Stuhl auf das Seil setzen oder gleich mit Motorrädern das Seil heraufrasen.

Wochenmärkte haben in Halle übrigens ihren Namen nicht verdient, denn der Markt findet jeden Tag vor der Marktkirche statt.

Die Mitteldeutsche Zeitung in Halle an der Saale

„Der Wachmann guckt laut Dokumentationen über den zweiten Weltkrieg, auch sonst scheint nicht besonders viel los zu sein.“

Und so bricht unser letzter Tag in Halle an. Einziger Programmpunkt heute: Besuch der Mitteldeutschen Zeitung (MZ), eine regionale Tageszeitung, vergleichbar mit der NWZ. Wir sprechen mit einer Redakteurin über die Vergangenheit der Zeitung in der DDR und wie man heute versucht, die Printmedien in die aktuelle Zeit zu befördern. So betreibt die MZ einen eigenen Fernsehsender im Internet, mit dem man Nachrichten für die Region rund um Halle produzieren möchte. Die Zukunft der Regional-Zeitungen sieht wohl die Beschränkung auf ihr Vertriebsgebiet vor. Eigentlich gut so, denn im Überregionalen Teil findet sich meist kaum mehr als ein paar lieblos kopierte Artikel der dpa.

Mit diesen Eindrücken verlassen wir Halle und können nun unser Fazit ziehen. Der erste Eindruck war schnell verzogen, denn so ist diese Stadt nicht. Sie ist keineswegs langweilig oder trist, wie man es von Sachsen-Anhalt denkt. Wer gerne später studieren möchte, vor allem im Schwerpunkt Medien, der sollte sich Halle einmal anschauen. Viele Altbauten im Kern der Stadt prägen das Bild. Übrigens, die nächste Großstadt ist auch nicht weit entfernt. Zwischen Halle und Leipzig fährt man unter einer Stunde. Egal ob mit Bus oder Bahn.