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Ausgabe 55 PANORAMA

Das 9€ Ticket und Ich

Eine der besten Sachen passierte 2022. Das 9-Euro-Ticket hat den Diskurs um den öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland revolutioniert und vielen Leuten gezeigt, wenn der Staat handeln will, kann er dies auch. Doch man darf auch nicht ignorieren, dass nicht alles glatt lief.

In den Sommerferien 2022, im August, habe ich einen Urlaub mit dem Fahrrad unternommen. Mein Plan war es, mit dem Fahrrad nach Berlin in vier Tagen zu fahren. Einmal merkte ich auf der Strecke, dass ich mir zu viel vorgenommen hatte. Ein schnelles Suchen im Internet nach der passenden Bahnverbindung reichte, ich musste dann nur noch ein Fahrradticket für 6 Euro lösen und schon konnte ich in die mäßig volle Bahn einsteigen. Insgesamt war das eine ziemliche angenehme Erfahrung. Auch war es schön, während der Reise zu wissen, falls was passiert, irgendwie komme ich zum nächsten Ort.

Nach ein paar Tagen in Berlin plante ich dann wieder mit dem Nahverkehr zurück nach Varel zu kommen – mit dem 9-Euro-Ticket. Die Reise begann damit, dass ich mich in einen Zug quetschen musst, in dem jeder sich dicht an dicht drängen musste und manche Personen am Hauptbahnhof in Berlin nicht einmal einsteigen konnten. Der Zug fuhr dann bis nach Schwerin, aber mit Verspätung, sodass ich dort auf den nächsten Zug nach Hamburg eine Stunde warten musste. Hier war mir schon klar, das Ganze wird schwierig werden, denn alles war überfüllt. Die Rückreise an einem Sonntag machen zu wollen, war wohl nicht so durchdacht gewesen. Eine Stunde später war dann der Zug nach Hamburg da und der Andrang riesig. Ich kam gerade noch so rein, weil eine Schaffnerin das ganze Chaos vor allem mit den Kinderwagen von Familien irgendwie organisierte. Doch irgendwann war der Zug zum Platzen voll.

Und manche Personen waren nicht damit zufrieden. Nur als nach langer Diskussion die Schaffnerin mit der Polizei drohte, konnten wir endlich weiterfahren. Wir übersprangen sogar zwei Stationen, da wir verspätet waren und der Zug auch niemanden mehr aufnehmen konnte. Spätnachmittags war ich dann endlich in Hamburg. Doch durch die Verspätung habe ich wieder den Anschlusszug nach Bremen nicht bekommen. Und das wurde zum riesigen Problem. Denn alle weiteren Regionalbahnen nach Bremen und auch generell Verbindungen, mit denen man noch an dem Tag nach Varel hätte kommen können, vielen aus. Meine Idee, wie ich trotzdem nach Hause kommen konnte, war Fahrradfahren. Nach Hause. 167km. Nach zwei Stunden war klar, dass kann ich schaffen, aber nur, wenn ich die Nacht durchfahre, etwas, was ich gerne vermeiden wollte. Letztendlich bot dann mein Vater an, mich auf der Hälfte der Strecke mit dem Auto abzuholen.

Letztendlich war die Bahn einfach zu sehr ausgelastet. Es war halt ein Sommertag, mit vielen Bundesländern, die Sommerferien hatten, an einem Sonntag und zudem konnten sich endlich mal viele Leute eine kleine Reise leisten.

Abgesehen davon war für mich persönlich das Ticket großartig. Ich konnte endlich billig nach Oldenburg, in die nächstgrößere Stadt mit Freunden, um mal Tagestrips zu machen. Und das ist auch, was am Ende der wirkliche Erfolg des 9-Euro-Tickets war. Wie viel CO2 letztendlich gespart wurde, ist strittig. Aber unstrittig ist, dass das 9-Euro-Ticket Ermöglicher war für so viele Menschen, mal zu reisen. Viele öffentliche Persönlichkeiten mögen es vielleicht kaum glauben, aber nicht jede Person konnte es sich leisten, viel aus dem eigenen Ort herauszukommen. Das Ticket hatte hier einfach eine enorme Wirkung, indem es vor allem auch Tagestrips ermöglichte, da diese kaum was gekostet haben. Wenn dann noch ein paar Leute das Auto zuhause stehen lassen, umso besser. Darüber hinaus könnte man einen Großteil der Kritik, auch meiner, damit angehen, dass man einfach die Bahn ausbaut.

Letztendlich kann ich nur hoffen, dieses Ticket hat einen nachhaltigen Impuls gesetzt, nicht nur Bahnfahren günstiger für Pendler zu machen, sondern die Bahn mit Nachdruck auszubauen und weiterhin als Ermöglicherin tätig zu sein. Das 49-Euro-Ticket hat da kaum den Charme eines Tickets für neun Euro, es ist aber ein Anfang. Man kann nur hoffen, dass die Ampelparteien dies begreifen, vor allem die Partei, die sich Freiheit auf die Fahnen schreibt. Gerade diese könnte so viel mehr Freiheit schaffen, jedoch vor allem für die nicht so reichen Personen der Gesellschaft.

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Ausgabe 55 PANORAMA

Es gibt mehr als „er“ und „sie“

Ey, du da!

Möchte man so angesprochen werden?

Viele Menschen, die sich ihrem biologischem Geschlecht nicht angehörig fühlen oder vielleicht auch keinem Geschlecht angehörig fühlen, die zum Beispiel auf als Mann auf die Welt kommen, im Laufe ihres Lebens aber merken, dass sie sich in ihrem zugeteilten Geschlecht nicht wohl fühlen und sich als Frau identifizieren, solche Personen nennt man auch trans* Personen und diese werden häufig mit ,,du da“ oder ,,hey du“ angesprochen. Dieses Problem haben auch nicht binäre Menschen, denn diese fühlen sich weder dem einem noch dem anderen Geschlecht angehörig. Die Ratlosigkeit des Umfeldes den Personalpronomen gegenüber ist besonders am Anfang dieses Prozesses ausgeprägt, dabei sind die Menschen im Umfeld von trans* Personen oft verwirrt, gerade, wenn man sich länger kennt. Gestern kannte man die Person noch als eine Freundin, heute als ein Freund. Bekannte und Familie sind manchmal überforderter als die Person selbst und wissen nicht so richtig, wie sie mit der Person umgehen soll.
Soll man dann ,,Hallo du transgeschlechtliche Person“ sagen?
Nein, bitte nicht! Einige Menschen, die sich ihrem biologischen Geschlecht nicht angehörig fühlen, wollen meistens nicht auf ihre Identität angesprochen werden, da sie sich oft selbst überfordert fühlen, wenn sie auf einmal in die Jungs-Umkleide gehen oder auf die Mädchentoilette (das ist auch der Grund, weshalb es Umkleiden oder Toiletten für nonbinäre Personen geben sollte). Wenn man sich unsicher ist, wie man eine Person ansprechen soll, kann man einfach erst mal auf geschlechtsspezifische Pronomen verzichten, starte doch erst mal mit einem freundlichen ,,Hallo“, stell dich vor und wenn man ins Gespräch kommt und es sich nach dem richtigen Moment anfühlt, frag einfach nett nach.
Welche Pronomen gibt es und wie werden sie benutzt?
Transfrauen spricht man wie jede andere Frau auch mit ,,Frau“ (sie, ihr) und Transmänner mit ,,Mann“ (er, ihn) an.
Nicht binäre Personen sollte man einfach fragen, wie sie angesprochen werden möchten, denn das ist meistens sehr individuell. Eine relativ neue Methode, um größere Gruppen neutral anzusprechen ist die Endung ,,ai“, statt „jede“ oder „jeder“ sagt man einfach „jedai“. In andere Ländern wie beispielsweise Schweden, Amerika oder England gibt es Pronomen, die alle Menschen ansprichen, im Englischen zum Beispiel „they/them“ oder im Schwedischen „hen“. In Deutschland ist so etwas leider noch nicht weit verbreitet, doch es gibt welche, zum Beispiel „xier/xies/xiesem“ Ein Beispiel: Xier hat eine neue Tasche, xies Tasche ist rot. Eine andere Möglichkeit ist, eine Person einfach mit ihrem Namen anzusprechen, zum Beispiel: Janne geht heute schwimmen, Jannes Freundin ist auch dabei. Das Thema der Pronomen ist bei der älteren Generation manchmal unbeliebt, deshalb ist es umso wichtiger, dass die jüngere Generation gleich aufgeklärt wird und es irgendwann nichts Ungewöhnliches mehr für einige ist, Pronomen wie ,,xier“ oder ,,dey“ zu verwenden.
Warum ist „transexuell“ falsch und „transgeschlechtlich“ richtig? Mit „transsexuell“ drückt man aus, dass es eine Sexualität wäre, das ist es aber nicht. Es ist eine Identität, deshalb heißt es trans* oder transgeschlechtlich. Transexuell wurde aus dem Englischen übernommen.

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Ausgabe 55 PANORAMA

Sollten Eltern alles erlauben?

Eine wohl häufig gestellte Frage, besonders unter den Jugendlichen. Während manche in einem gewissen Alter schon feiern gehen dürfen, müssen Andere um 20:00 Uhr zuhause sein. Doch ist das gerechtfertigt und eine richtige Entscheidung der Erziehungsberechtigten?

Social Media. Beziehungen. Alkohol. Rauchen. Videospiele ab FSK16/18. All das wird immer mehr Hauptgesprächsthema bei den Jugendlichen im Alter von 14 bis 18. 

Einige posten schon mit 13 Jahren Bilder auf Instagram, haben gerade ihre zweite Beziehung und gehen regelmäßig mit Freunden bis 3:00 feiern. 

Andere wiederum dürfen das einfach nicht und werden somit als ,,uncool“ abgestempelt. Ein trauriges Schicksal.

Und hier stellt sich die Frage, sollten Eltern ihren Kindern alles erlauben?

Meiner Meinung nach kommt es immer auf die betreffenden Personen an. Wenn jemand für sein Alter reif genug scheint, einen vernünftigen Freundeskreis pflegt und recht gute schulische Leistungen aufweist, sehe ich persönlich keinen Grund dafür, alles zu verbieten. Immerhin sollten Eltern lernen, ihrem Kind Freiraum und einen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Schließlich machen sie es doch sowieso irgendwann.

Also warum verbieten, wenn es auch anders geht? 

Selbstverständlich gibt es bei den ,,verbotenen Sachen“ verschiedene Stufen. So empfinden Eltern meist Alkohol, Rauchen oder andere Drogen negativer als Videospiele oder überschrittene Bildschirmzeiten. Gerade Alkohol ist aber ein wichtiges Thema. Denn die meisten fangen am Ende der neunten bzw. am Anfang der zehnten Klasse damit an, viele ohne Erlaubnis der Eltern. 

Man bemerkt es, wenn Übernachtungen bei Freunden wieder extrem häufig vorkommen, viele neue Gesichter zu Besuch kommen und ein eigener Schlüssel plötzlich höchste Priorität hat. Der Alkohol aus dem Kellerschrank hat sich plötzlich Beine wachsen lassen und ist weggelaufen. Eingewickelt in dicken Flauschsocken hört man immerhin das Klirren der Flaschen in der Tasche nicht.

Außerdem werden sogenannte ,,Fluchtwege“ geplant.

Durch die Hintertür raus. Unter dem leicht geöffneten Garagentor durchkrabbeln. Und der Freiheit ins Auge sehen. So einfach kann das gehen.

An diesem Punkt sollte man sich als Erziehungsberechtigter meiner Meinung nach die Frage stellen: Lohnt sich das?

Lohnt es sich, einem Kind etwas zu verbieten, wenn es es irgendwann heimlich macht?

Ich finde an diesem Punkt sollten Eltern mit sich reden lassen und einen vernünftigen Kompromiss finden. Denn je mehr man seinem Schützling erlaubt, umso mehr Kontrolle hat man im Endeffekt dann auch. Denn weiß man, dass man es sowieso darf, hat der ganze Spaß auch keinen Reiz mehr.

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Ausgabe 55 PANORAMA

Was hat Biden verändert oder verbessert?

Joseph „Joe“ Robinette Biden ist der 46. Präsident der Vereinigten Staaten. Er ist nun über ein Jahr in seinem Amt, doch was hat er innerhalb eines Jahres verändert?

Erst einmal einige Informationen zu Biden selbst: Er ist 79 Jahre alt und ist am 20. November 1942 geboren. Er gehört den Demokraten an. Während der Amtszeit von Barack Obama (2009-2017) war er der 47. Vizepräsident der Vereinigten Staaten.
Nun ist er Präsident der Vereinigten Staaten, doch was hat er innerhalb eines Jahres verändert? Seine drei größten Veränderungen waren:
Schon am ersten Tag seiner Amtszeit als Präsident korrigierte Biden viele Entscheidungen seines Vorgängers Donald Trump. Er sorgte am ersten Tag direkt dafür, dass Amerika nun wieder in der Klimapolitik teilnehmen wird. Hierzu hatte Biden zum Beispiel die neuen Öl- und Gasbohrungen nicht mehr zugelassen, er möchte einen Staat, der dem Pariser Klimaabkommen treu bleibt. Joe Biden hat als Präsident nach Donald Trump viel nachzuholen, zudem wurde er in der Corona-Pandemie ernannt, was heißt: Er muss dafür sorgen, dass Amerika diese gut überstehen wird. Biden hatte den sogenannten „New-Start“ durchgeführt, der dazu führte, dass Russland und Amerika einen Abrüstungsvertrag eingehen. Als Demokrat war es Biden wichtig, den UN-Meschenrechtsrat wieder in die Vereinigten Staaten zurückzuholen, unter Trump verließ Washington diese. Recht und Soziales sind Biden und den Demokraten sehr wichtig, deswegen unterzeichnet Biden ebenfalls eine Anhebung der Schuldenobergrenze.
Zum Ende des Jahres 2021 warnte Biden Wladimir Putin, den russischen Präsidenten, davor, dass er nicht in die Ukraine einmarschieren sollte. In einem Telefonat drohten sich beide Länder, beide Staatsoberhäupter der Länder warnten vor einer Eskalation des Ukraine-Konflikts.
Insgesamt merkt man, dass Joseph „Joe“ Robinette Biden sehr viel zu tun hat, um Amerika voranzubringen. Amerika ist auf einem guten Weg. Ich denke, dass Biden den Amerikanern guttut, denn er versucht, allen zu helfen. Ein schönes Bild dazu: Joe Biden hat schwer leidende Coronapatienten aus dem Weißen Haus angerufen, um ihnen Mut und Glück zu wünschen, seine Mitarbeiter sagten, dass er es öfter machen wird. Ich finde, das zeigt ein gewisses Interesse an seinem Volke und zeigt, wie wichtig es ihm ist.

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So teuer ist Lernen?

Hier bricht Putz von der Wand, dort sind Löcher in den Tischen und da tropft Wasser von der Decke.

Bekannte und alltägliche Missstände an deutschen Schulen – ohne überhaupt die Digitalisierung an Schulen zu erwähnen. Dabei entsprechen die Ausgaben für Bildung pro Jahr etwa 4-5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland. Auch wenn die Ausgaben jährlich steigen, gibt Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern weniger Geld aus. So gaben Länder wie Schweden, Island, Finnland und Norwegen 2015 rund 7% ihres BIPs für Bildung aus.
Diese Missstände entstehen unter anderem dadurch, dass immer mehr Schüler Abitur machen – also länger zur Schule gehen – aber auch durch Angebote wie Ganztagsbetreuung, die immer mehr in Anspruch genommen werden – es wird also immer mehr Geld benötigt. Außerdem leiden Schulen unter Personalmangel, wodurch die Klassen immer größer werden, die Lehrer können sich schlechter auf jeden einzelnen Schüler konzentrieren. Dadurch leiden nicht nur Schüler, auch die Lehrer haben mehr zu tun.
Wenn die Klassen zu groß sind, können sich die Lehrer schlechter um die einzelnen Schüler kümmern und auf deren Probleme eingehen. Wenn dann Schüler hinterherhängen, müssen diese selbst sehen, wie sie zu ihrem Recht kommen – was oft in Nachhilfe für die Schüler endet. Das müssen die Eltern natürlich selbst bezahlen.
Die Coronapandemie und die Home-Schooling Zeit haben noch mehr dazu beigetragen, dass Schüler mit dem Stoff hinterherhängen und Lernstoff aufgearbeitet werden muss.
Aber nicht nur der Staat gibt viel Geld für Bildung aus. So geben Eltern deutschlandweit im Durchschnitt von der 1. bis 12. Klasse (G8) 20.700€ aus. Darunter fallen Schulbücher und Arbeitsmaterialien, aber auch Reisen wie Tagesausflüge oder Klassenfahrten. Im Durchschnitt zahlt Niedersachsen mit etwa 27.300€ am meisten. Am Günstigsten ist Mecklenburg-Vorpommern mit knapp 15.000€. Am teuersten dabei ist übrigens der Hort bzw. die Nachmittagsbetreuung, die jedoch auch je nach Bundesland preislich sehr schwankt. Auch Ausgaben wie Bücher schwanken stark von Bundesland zu Bundesland. In einigen Bundesländern kann man diese nämlich ausleihen, in anderen muss man diese jedoch selber kaufen. Je nachdem, wo man also wohnt, zahlt man einige tausend Euro weniger.
Insgesamt gibt der Staat daher zu wenig aus für Bildung, Eltern dafür sehr viel. Wie so oft muss also letztlich das Individuum das Versagen hier tragen.

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Du hast so viel Talent!

Du hast so viel Talent! Du bist doch so talentiert! So viel Talent hätte ich auch gerne! Alle Kunstschaffenden kennen wahrscheinlich diese Ausdrücke, die man fast wie auf Kommando bei anderen Personen hervorrufen kann, wenn man doch nur ein gelungenes Bild zum Besten gibt.

Diese Aussagen sollen zwar wohlwollend klingen und Zustimmung ausdrücken, doch in der Welt der Farben und Formen ist die Frage nach dem berüchtigten „Talent“ stark kritisiert, denn nun mal ehrlich: Ist es so wahrscheinlich, dass man allein durch Talent Kunst erschaffen kann?  Kommt es beim Malen und Zeichnen nur auf das Talent an und ist Talent mit dem Begriff der Kunst überhaupt in Verbindung zu bringen?

Eigentlich bedeutet der Begriff des Talents, dass eine bestimmte Eigenschaft besonders ausgeprägt ist und sehr gut beherrscht wird. Doch wenn die übliche Aussage „Du bist so talentiert!“ ausgesprochen wird, wissen alle erfahrenen Kunstschaffenden, dass sich diese bewertende Aussage eigentlich auf die Qualität des Bildes bezieht und nicht auf die Kunst an sich. Meist erschaffen „talentierte“ Kunstschaffende nämlich im Allgemeinen Bilde möglichst naturgetreue und realistische Bilder, die mit natürlichen Proportionen und Farbgebungen übereinstimmen. Dabei wird dieses Wörtchen „Talent“ als einfache Erklärung für die gute Fähigkeit, Kunst zu erschaffen, benutzt. Es wird nicht berücksichtigt, ob die Malenden Anfänger oder Fortgeschrittene sind, das Maß an Übung und Erfahrung wird nicht beachtet. 

Doch, große Überraschung, hinter der Kunst steckt viel mehr als das einfache „Talent“: Vor allem geht es um Übung und Erfahrung. Bevor solche realistischen Zeichnungen entstehen können, muss das Auge geschult werden, die Zusammenhänge der Natur zu erfassen und diese in einfach zu zeichnende Formen einzuteilen. Diese Schulung des Auges ist die einzig mögliche Station auf dem Weg der Kunst, an der ein gewisses Talent zur Erfassung der Natur eine kleine Rolle spielt. Auch bei abstrakten Gemälden ist diese Übung und Erfahrung sehr wichtig, um die richtige Komposition der Farben und Formen zu finden. Um diese ganzen Erfahrungen zu sammeln, ist eine große Begeisterung für die Kunst und vielleicht auch etwas Durchhaltevermögen nötig, aber gewiss können diese individuellen Kunstgegenstände, die am Ende dieser Entwicklung stehen, nicht an dem Wort „Talent“ gemessen werden. Dieses Wort versucht, die Kunst anhand ihrer Qualität zu messen, doch in dem Reich der Farben und Formen, in dem alles seine eigene Individualität besitzt und man sich selbst in der eigenen Kunst wiederfindet und sich mit ihr entwickelt, kann eigentlich nichts an Wörtern wie Qualität oder Talent gemessen werden. Schlussendlich gibt es in der Kunst kein Richtig oder Falsch, kein großartiges Talent oder ein Maß anhand der Bilder. Es kommt darauf an, die eigene Sichtweise zu verdeutlichen, sich selbst und seine eigenen Werte zu verfestigen, die Gesellschaft widerzuspiegeln und vor allem die eigenen Gefühle, Interessen und Konflikte zum Ausdruck zu bringen. Und wenn schon, wenn die Kunst ganz und gar von Talent abhängig wäre, wozu sollte es ansonsten Kunstschulen und Kunstkurse geben, in denen jene Begeisterten und Erfahrenen lehren, Farben und Formen auf dem Papier tanzen zu lassen, wenn man doch nur Talent bräuchte?

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Ausgabe 55 PANORAMA

Vorhang auf für die Rechtsprechung von Gestern

„Ein Gesetz, das gegen die Verfassung verstößt, ist kein Gesetz.“ Das sagte einst der Supreme Court, der Oberste Gerichtshof der USA, im Jahre 1803. Die Gesetze sollen laut diesem Zitat in den Gerichten durch die amerikanische Verfassung überprüft werden, es obliegt allein den Gerichten zu sagen, was Recht ist.

Doch auch beim Obersten Gerichtshof stellt sich einem doch schnell die Frage, ob dort alles mit rechten Dingen geschieht. Vor allem, nachdem der Supreme Court ein Grundsatzurteil kippte, das Abtreibungen bis zur 24. Woche der Schwangerschaft erlaubte, fragt man sich doch eigentlich immer mehr: Was ist bloß mit der Rechtsprechung der USA los und warum billigt selbst der Oberste Gerichtshof, welcher doch eigentlich die Gerechtigkeit im Land bewahren und widerspiegeln sollte, solche altertümlichen Gesetze?

Zuerst einmal muss dazu kurz die Rolle des Obersten Gerichtshofes innerhalb des Rechtesystems der USA herausgehoben werden: Jeder Bezirk in den Vereinigten Staaten hat ein zuständiges Bezirksgericht, welches laut der amerikanischen Verfassung dem Supreme Court untergeordnet ist (Artikel 3 der Verfassung). Diese Bundesgerichte und alle anderen Gerichte außer dem Supreme Court können vom Kongress eingesetzt oder abgeschafft werden. Der Kongress kann im Falle des Supreme Court nur die Anzahl der Richtenden bestimmen und im äußersten Falle kann er durch eine Verfassungsänderung die dort festgelegte Zuständigkeit des Gerichtes abändern. Die derzeitige Anzahl der Richtenden beträgt neun, wie im größten Teil der Geschichte des Gerichtshofes seit der Gründung vor 200 Jahren. Ein*e Richtende*r hat den Vorsitz im Gerichtshof, die anderen acht fungieren als Bundesrichtende. Die Richtenden werden vom derzeitigen Präsidenten ernannt, ohne eine Qualifikation vorweisen zu müssen, und bleiben lebenslang im Amt, außer sie werden aufgrund von gesundheitlichen Problemen oder durch einen Beschluss des Senates abgesetzt. Die Hauptaufgabe des Gerichtes besteht darin, festzustellen, ob ein Gesetz oder eine Maßnahme, die die Regierung durchsetzen möchte, der Verfassung entspricht, wobei die schlussendliche Entscheidung nicht einstimmig getroffen werden muss. Um einen Beschluss zu erlangen, muss es nur eine einfache Mehrheit geben, es müssen also sechs Richtende zustimmen. Die Entscheidung, die am Ende bekanntgegeben wird, kann von niemandem angefochten werden.

Durch die lebenslange Amtszeit der Richtenden sitzen ausschließlich ältere Personen im Supreme Court, der Altersdurchschnitt liegt derzeit bei 62 Jahren. Die jüngste Richterin ist 50 Jahre alt und der Älteste unter den Richtenden ist sogar 74 Jahre alt und sitzt, seitdem er 1991 von George W. Bush, dem derzeitigen amerikanischen Präsidenten, ernannt wurde, im Obersten Gerichtshof. Mit ihm sind immer noch zwei weitere Richter, die von George W. Bush ernannt wurden, im Amt. Von dem danach folgenden Präsidenten, Barack Obama, wurden zwei Richterinnen ernannt und von seinem Nachfolger, Donald Trump, zwei Richter und eine Richterin. Vom derzeitigen Präsidenten, Joe Biden, konnte bis jetzt nur eine Richterin ernannt werden, die allerdings die erste schwarze Frau ist, die im Supreme Court ihr Amt ausübt. 

Dieses Gericht, das über landesweite Gesetze bestimmt, ist mittlerweile eher eine Bühne für alte Ideale und Überzeugungen als ein Gericht. Dies liegt daran, dass sich die Parteien und der Präsident die lebenslange Amtszeit der Richtenden gerne zunutze machen. Wenn ein Richtender stirbt oder zurücktritt, besetzt der aktuelle Präsident dieses Amt mit einem anderen Richtenden, der sich für ihre Überzeugungen einsetzt und ihre Idealen teilt.  Dadurch konnten sich die Regierungen und Präsidenten der vergangenen Jahrzehnte Macht innerhalb der künftigen Gesetzgebung sichern. Selbst wenn der Präsident nicht wiedergewählt wird oder die andere Partei die nächste Wahl gewinnt, können sie immer noch Macht durch ihre ernannten Richtenden ausüben und so an Gesetzen mitbestimmen, da die Richtenden, die sie ernannt haben, ihre Überzeugungen im Gerichtshof verteidigen und diese mithilfe ihrer „juristischen Fähigkeiten“ untermauern können. Diese Richtenden mit z.B. konservativen Überzeugungen können nicht einfach so von der neuen Regierung bzw. vom neuen Präsidenten entlassen oder ersetzt werden.  So vertreten die Richtenden ihre Ideale bis zum Tode und verleihen den vergangenen Präsidenten und ihren Parteien bis dahin eine große Macht.

Bei der derzeitigen Besetzung der Ämter spielt der Präsident, der die Richtenden ernannt hat, eine große Rolle. Die Richtenden, die von den Republikaner George W. Bush und Donald Trump ernannt wurden, sind insgesamt sechs. Die Richtenden, die von den Demokraten Barack Obama und Joe Biden ernannt wurden, sind insgesamt nur drei, obwohl die Demokraten den derzeitigen Präsidenten stellen und die Mehrheit im Repräsentantenhaus haben. Die Republikaner können also momentan bei jedem Beschluss, der im Obersten Gerichtshof beschlossen wird, eine einfache Mehrheit erreichen und somit über das wichtigste Gericht der USA so gut wie allein über die Zulassung der Gesetze bestimmen, obwohl sie nicht mal die Mehrheit im Repräsentantenhaus haben. An diesem Beispiel ist gut zu erkennen, welche Auswirkungen die aufgestellten Richtenden auf die Gesetzgebung haben. Das wichtigste Gericht der USA, das die Mitte und die Bühne der Gerechtigkeit sein sollte, ist zu einer Bühne der Demokraten und Republikaner geworden. Eine Bühne alter Ideale, die sich in Form von Gesetzen auf die heutige Gesellschaft massiv auswirken. Diese „alte Bühne“ alleine spricht aus, was Recht ist. Diese „alte Bühne“, die an die Politik von heute, aber vor allem an die Politik von gestern gebunden ist, wobei so etwas herauskommt wie das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen oder das Recht, Kinder zu schlagen.

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Iranerinnen fordern ihre Freiheit

Im Iran gelten seit der Islamischen Revolution 1979 besonders für Frauen strenge Kleidungsvorschriften, die ihnen lediglich erlauben, Gesicht, Hände und Füße zu zeigen.  Wirft man jedoch einen Blick auf die Mode in einigen iranischen Städten, wird schnell klar, dass sich figurbetonte Kleidung häuft.

Um zu vermeiden, dass so etwas zur Allgemeinheit wird und die iranischen Sitten vernachlässigt werden, wurde die Sittenpolizei eingesetzt, die beim Missachten der Regeln oft Gewalt in verschiedenen Formen einsetzt.  Frauen im Islam ist es vorgeschrieben, ihren Körper und ihre Haare bestmöglich zu verhüllen. Diese Vorschrift aus dem Koran soll vorrangig zum Schutz der Frauen dienen und sie vor herabwürdigendem Kontakt mit Männern bewahren, da die Haare ein wichtiger Bestandteil des weiblichen Schönheitsideals sind. Für viele bedeutet das Tragen eines Kopftuches keine Einschränkung, da sie damit ihren Glauben ausleben und ihre Verbundenheit zu ihm ausdrücken können. Außerdem kann das Verhüllen des Körpers dazu beitragen, mehr auf die inneren Werte zu achten. Sie tun es also aus religiöser und zum Teil auch feministischer Überzeugung heraus. Andere hingegen stört diese Beschränkung in ihrem Land. Das veranlasst immer mehr Iranerinnen, gegen die Kleidungsvorschriften zu verstoßen. Im Islam ist es verboten, andere zu zwingen, nach ihrer Religion zu leben.  Die strengen Regeln im Koran sollen freiwillig von den Gläubigen befolgt werden und sind keineswegs dazu gedacht, sie nur aus Angst vor der Regierung oder Polizei einzuhalten. Daher sollte es den Iranerinnen selbst überlassen werden, wie und ob sie den Hijab, eine Form des Kopftuches, zu tragen haben. Aufgrund der gewalttätigen Sittenpolizei fühlen sich mehr Iranerinnen unterdrückt. Sie haben Angst, dass es ihnen, wenn sie die Vorschriften nicht einhalten, genauso ergeht wie anderen Frauen, z.B. der 22-jährigen Mahsa Amini, die in Inhaftierung starb. Bei ihr griff die Sittenpolizei ein. Offiziell ist sie schlussendlich aufgrund gesundheitlicher Probleme verstorben, doch nahezu niemand glaubt daran, besonders ihre eigene Familie nicht. Es wird davon ausgegangen, dass die Polizei sie zu Tode folterte. 

Nachdem ihr Tod bekannt gegeben wurde, veröffentlichten einige Iranerinnen Videos, auf denen sie sich ihre Haare abschneiden.  Mit diesen Videos wird ihre Trauer über die Geschehnisse, aber auch ein Unabhängigkeitswunsch deutlich, denn sich ohne eine Art der Kopfbedeckung im Internet zu zeigen, braucht viel Mut. Zusätzlich schneiden sie sich als Zeichen von Trauer das Haar. Bei Kurden ist es üblich, das eigene Haar auf das Grab einer verstorbenen Person zu legen. Zugleich bedeutet dieser Akt für die Frauen aber auch eine Geste des Protestes gegen die bestehenden Regeln und den Umgang mit ihnen. Daraufhin folgten Frauen weltweit dem viralen Format und brachten so ihre Solidarität zum Ausdruck. Besonders in einem privilegierten Land wie Deutschland ist es wichtig, seine Unterstützung zu anderen Ländern, deren Bürger aus verschiedensten Gründen misshandelt werden, zu zeigen.